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Verzerrter Blick auf die E-Mobilität

Im August 1888 machte Bertha Benz die erste Überlandfahrt von Mannheim nach Pforzheim mit einem benzingetrieben Wagen. Bei dem ersten Tankstopp der Geschichte bekam sie ihren Sprit (damals Ligorin) in der Stadt-Apotheke von Wiesloch. 1909 wurde das erste deutschlandweite Verzeichnis von ca. 2500 Tankstellen (u.a. Drogerien, Kolonialwarenhändler, Gaststätten) veröffentlicht. Hundert Jahre später hat sich die Zahl bei knapp 15.000 Tankstellen stabilisiert, nachdem in den Sechzigern und Siebzigern in Deutschland mehr als doppelt so viele Tankstellen verfügbar waren. Mit der Elektro-Mobilität beginnt jetzt, wenn auch in bescheidenen Schritten, die Abkehr vom verbrennungsbasierten Individualverkehr. Erstaunlicherweise sehen unsere politischen Vertreter nur die Notwendigkeit für Prämien und steuerliche Vergünstigungen beim Kauf von Elektro-Autos, anstelle sich um die Schaffung der Rahmenbedingungen für die erforderliche Infrastruktur zu kümmern. Dieser verzerrte Blick auf die E-Mobilität gefährdet den Wechsel hin zu Elektro-Verkehr in absehbarer Zeit.

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Derzeit sind in Deutschland ca. 44 Mio. Personenkraftwagen (PKW), 4 Mio. Krafträder und 3 Mio. Lastkraftwagen (LKW) angemeldet. Bis 2020 sollen 1 Mio. und bis 2030 6 Mio. Elektro-Fahrzeuge auf die Straße gebracht werden. Dies bedeutet jedoch, dass bis dahin immer noch über 80% der Fahrzeuge mit klassischer Verbrennung fahren. Wie die Umstellung schneller funktioniert, hat China vorgemacht. In den Ballungszentren wurden die klassischen benzinbetriebenen Zweitakter verboten. Bis 2025 sollen sie ganz verschwunden sein. Derzeit sind bereits 200 Mio. Elektroscooter unterwegs. In Deutschland ist der Kontext der Elektro-Mobilität noch nicht ausreichend berücksichtigt. Die folgenden Beispiele zeigen wichtige Kernthemen.

  • Batterieleistung
    Eine wichtige Voraussetzung für die Bürger ist die Reichweite der Elektrofahrzeuge, obwohl sie im Schnitt pro Tag nur knapp 40 km fahren. Bestimmt wird die Reichweite durch die Kapazität der Batterie. Eine Verbrauchsanalyse bei mehr als 240.000 Fahrzeugen hat in Dänemark aufgedeckt, dass der Durchschnittsverbrauch bei 183 Wh/km liegt (über 46% mehr als angegeben). Die Batteriekapazitäten liegen bei 60 bis 90 kWh. Dies reicht für 150 – 450 km. Staus sind in diesem Zusammenhang kontraproduktiv, da je langsamer als 50 km/h das Fahrzeug fährt, desto mehr verbraucht es. Der beste Wirkungsgrad entstand bei einer Außentemperatur von 14 Grad.
  • Ladeinfrastruktur
    Das A und O sind die Möglichkeiten die Batterie aufladen zu können. Im Schnitt fahren deutsche Autofahrer 80 Minuten pro Tag. Das bedeutet, dass das Auto fast 23 Stunden parkt. Ausreichend Zeit, um es aufzuladen, sofern eine passende Ladestation in Reichweite ist. Private Garagen lassen sich durch Eigeninitiativen schnell ausrüsten. Die 1,1 Mio. Parkplätzen im öffentlichen Raum („On-Street“) und die 2,6 Mio. gebührenpflichtigen Stellplätzen in nicht-öffentlichen Flächen („Off-Street“) brauchen Ladestationen, um jede Standzeit zum Laden nutzen zu können. Es spricht viel dafür, die bestehenden Versorgungsstellen wiederzuverwenden. Im Vergleich zu den heutigen vier Zapfsäulen einer kleinen Tankstelle bräuchte es aufgrund der Dauer des Ladevorgangs in Zukunft mindestens 8 Lademöglichkeiten. Es wäre sicherlich ein Projekt von öffentlichem Interesse, die tatsächlichen Kosten für die Bereitstellung einer vernünftigen Ladeinfrastruktur zu berechnen. In jedem Fall kosten die entsprechenden Zapfstellen mehrere Milliarden Euro.
  • Ladeschnittstelle
    Bezeichnenderweise haben wir aus den Zeiten des Formatkriegs der Videokassettensysteme nichts gelernt. Anstelle sich auf eine Schnittstelle zu einigen, wetten unterschiedliche Anbieter darauf, dass ihr System sich durchsetzt. Und andere warten ab, um auf den Zug aufzuspringen, der überlebt. Wird es der Typ-1-Stecker, der Typ-2-Stecker, der Combo-Stecker, der CHAdeMO-Stecker oder der Tesla-Supercharger? Oder kommen noch weitere Varianten? Damit stehen alle einem Wirrwarr an Steckern gegenüber, das einen schlechten Einfluss auf die Akzeptanz haben wird.
  • Batterieentsorgung
    Am meisten belastet die Batterie das Elektro-Auto. Mit einem Gewicht von um die 300 kg und einer Lebensdauer von 15 Jahren ergibt sich die Frage, wie die Batterien in Zukunft entsorgt werden. Es bleibt zu hoffen, dass die Anbieter sich darum kümmern müssen, da dadurch sichergestellt wird, dass sie dann recycelbare Batterien entwickeln. Zu wünschen wäre, dass die Politik es dieses Mal nicht wie bei der Kernkraft verschläft, sich um Endlager zu kümmern.
  • Neue Geschäftsmodelle
    Nicht zu vergessen die aktuellen Geschäftsmodelle der Tankstellen. Sie liegen heute an verkehrstechnisch idealen Stellen und nutzen unterschiedliche Geschäftsformen – von konzerneigenen Tankstellen, über Franchise bis hin zu den unabhängigen Tankstellen. Oder ist dies sogar ein völlig neues Marktsegment für „Die Drei von der Ladestation“? Werden die bestehenden Modelle erweitert oder drängen vielleicht auch die Stromkonzerne in den Markt? In Anbetracht der erforderlichen Anbindung ans Stromnetz sind grundlegende Maßnahmen notwendig, die die Gesellschaft gemeinschaftlich übernehmen muss, um eine vollständige Abdeckung deutschlandweit hinzubekommen – und nicht scheitern wie bei der Post, dem Telefonnetz oder der Bahn.

Fazit: Durch den verzerrten Blick auf die Elektroautos und die Subventionierung des Kaufs hat der Staat bewiesen, dass er das neue System der Elektromobilität noch nicht verstanden hat. Ohne die obigen Vorkehrungen für eine E-Mobilitäts-Plattform fördert der bisherige Einsatz der Steuergelder diesen Wandel nicht. Wichtig wäre die Unterstützung der Hersteller von guten Batterien, die Förderung einer flächendeckenden Ladeinfrastruktur, die Förderung einer einheitlichen Ladeschnittstelle, die Sicherstellung des ökologischen Recycling der Batterien sowie die Unterstützung neuer Geschäftsmodelle für die Ladeanbieter. Sobald sich die Verantwortlichen um die Plattform der Elektromobilität kümmern, wird der verzerrte Blick auf die E-Mobilität verschwinden.