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Wenn das Alte wegfällt und das Neue noch nicht da ist

Nachdem die IT seit Jahren verspricht, die Arbeitswelt weitreichend zu verändern, scheint es jetzt wirklich loszugehen – Netzwerke decken fast alle Örtlichkeiten ab, Software läuft barrierefrei auf verschiedenen Arten von Geräten und Unmengen an Daten lassen sich verarbeiten. Unter der Flagge der Digitalisierung findet der finale Angriff auf IT-affine Arbeit statt. Wen es tatsächlich trifft, wird langsam klar. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass ALLE „einfachen“ Tätigkeiten jetzt aktiv in die Rechner verschoben werden. Betroffen sind

  • Arbeiter, die wiederkehrende Herstellungs- und Transportarbeiten verrichten,
  • Dienstleister, die einfache Tätigkeiten von Kunden übernehmen,
  • Prüfer, die nur einen Status ermitteln und erfassen,
  • Einzelhändler, die Waren anbieten, die im Internet billiger sind und einem sogar nach Hause geliefert werden,
  • Sachbearbeiter, die Unterlagen sichten, kategorisieren und ablegen,
  • Mitarbeiter, die Daten in einen Computer übertragen,
  • Verkäufer, die in Megastores Kunden beraten,
  • uvm.

Wir stehen schon jetzt nicht mehr Schlange, um unsere Arbeitszeit abzustempeln.

Digitalisiert werden Geschäftsmodelle, -abläufe und -tätigkeiten. Während des Übergangs wird es für viele unangenehm, da sich alte Türen schließen und die neuen Türen sich noch nicht aufgetan haben. Wir müssen unsere Fähigkeiten und unser Denken an die neuen Bedingungen anpassen. Die OECD hat 2013 drei wesentliche Fähigkeiten von Erwachsenen im Erwerbsalter für die Verarbeitung von Information beschrieben.

  • Lesefähigkeit
    Seit Gutenberg den Zugang zu Gedrucktem für Viele möglich gemacht hat, ist Lesen zu einer grundlegenden Fähigkeit geworden. Dabei geht es darum alle Arten von Text verstehen, einschätzen, und nutzen zu können. Damit ist das Entschlüsseln von geschriebenen Wörtern und Sätzen, deren Auslegung sowie die Deutung von komplexen Texten gemeint – allerdings nicht deren Erzeugung. Die Lesefähigkeit ist im geschäftlichen und privaten Umfeld eine Grundvoraussetzung.
  • Rechenkenntnisse
    Das Auftreten von Zahlen in Form von Einkerbungen lässt sich über 30.000 Jahre zurückverfolgen. Die ersten deutbaren Zeichen waren vor 6.000 Jahren in Mesopotamien landwirtschaftliche Listen und Tabellen. Über die Jahrtausende hat sich die Mathematik entwickelt. Schon die alten Griechen erhofften sich, die Erklärungen für die Welt aus den schlüssigen Algorithmen ableiten zu können. Heute sind mathematische Fertigkeiten beim Lösen von Problemen unverzichtbar. Es braucht dafür einen natürlichen Umgang mit Zahlen und deren rechnerischen Verknüpfungen sowie das Talent die Ergebnisse nutzen, auslegen und vermitteln zu können. Rechenkenntnisse sind im geschäftlichen und privaten Umfeld unabdingbar.
  • Problemlösung in technologiereichen Umgebungen (Digitalkompetenzen)
    In den Achtzigern des letzten Jahrhunderts haben die Homecomputer eine unvorhersehbare Entwicklung gestartet. Noch 1981 dachte Bill Gates, dass ein Computer nie mehr als 640 KB (0,64 MB) Hauptspeicher brauchen würde. Heute benötigt Windows10 acht GB (8000 MB) oder sicherheitshalber sogar 16 GB. Über die Hälfte der Weltbevölkerung, die auch Zugang zu Elektrizität hat, verfügen über einen Computer. 2,8 Mrd. nutzen Social Media und 1,6 Mrd. kaufen Online ein. Dafür ist es erforderlich, die entsprechende Hardware und Software sowie die Grundfunktionen bedienen zu können. Dies beginnt bei der Einwahl ins Netz, geht über die Bedienung der Oberfläche und der Verarbeitung der gefundenen Informationen, bis hin zu der Ausführung von praktischen Aufgaben – geschäftlich und privat. Typische Anwendungen sind Online-Banking, E-Business, soziales Netzwerken, E-Behörden, Online-Schulungen sowie Online-Reisebuchungen oder Car2Go-Buchungen.

Das bisherige Handwerk und die aktuellen Jobs, vor allem einfache Tätigkeiten, werden durch Roboter und automatisierte Anlagen übernommen. Damit werden die neuen „Denk“-Fähigkeiten wichtig – Lese- und Digitalkompetenz, Rechenfertigkeiten, akademisches und technisches Fachwissen, Fähigkeiten der Problemlösung, des Kritischen Denkens und der Kreativität, Zusammenarbeits- und Kommunikationsfähigkeiten sowie Koordinations- und Führungsfähigkeiten. Aber: der Mangel an Handwerkern wird auch die  lebensnotwendigen, handwerklichen Berufe in absehbarer Zeit stark aufwerten – möglicherweise sogar rentabler machen als die neuen Kompetenzen.

Fazit: Ohne Lesen, Rechnen oder den Computer bedienen zu können, bleiben einem die heutigen entscheidenden Kanäle und Beschäftigungen verschlossen. Keine Fernsehsendung, die nicht auf das erweiterte Angebot im Internet verweist. Immer mehr Vorgänge bei Behörden, die Online abgewickelt werden müssen. Nur noch wenige Bankschalter, die mit Personal besetzt sind und die nichts kosten. Dass in diesem Kontext viele althergebrachte Berufe und Jobs verschwinden, überrascht nicht. Die zukünftige Digitale Gesellschaft und ihre neuen Beschäftigungsmöglichkeiten lassen sich nur erahnen. Wenn das Alte wegfällt und das Neue noch nicht da ist, bleibt jeder erst mal auf sich gestellt. In dieser Situation ist es wichtig seine Lesefähigkeit, Rechenkenntnisse und die Digitalkompetenz auf den neuesten Stand zu bringen, da alles was kommen wird, darauf aufbaut. Vielleicht können wir in naher Zukunft einen Blick auf diese neuen Jobs werfen.

P.S.: Nichtsdestotrotz sollten sich die eher handwerklich Begabten nicht verleiten lassen die ungeliebten MINT-Berufe (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) anzustreben, da auch in Zukunft die meisten Handwerke gebraucht werden. Niemand lebt in einem virtuellen Schloss oder duscht mit einer Dusch-App oder aktualisiert sein verklemmtes Fenster.

Von nichts kommt halt nichts

Es ist natürlich, dass sich alles an das anpasst, was bereits da ist. Aus einer Kugel kommen Kugeln hervor, nicht Würfel. In geschlossenen Systemen ist es unwahrscheinlich, dass sich von alleine etwas Neues ergibt. Außer: Energie wird von außen hinzugefügt. Ähnlich verhält es sich in menschlichen Gemeinschaften – Arbeitsgruppen, Abteilungen, Firmen. Soll etwas verändert werden, braucht es einen Anstoß, um Schwung zu holen. Von nichts kommt halt nichts.

Die folgenden Aspekte umreißen einige Impulse, die die Führungskräfte geben können, im Sinne einer Energiezufuhr.

  • Anpassungsfähigkeit
    Das Beharrungsvermögen im Bestehenden von einzelnen Personen braucht einen Rahmen, der dem Neuen den erforderlichen Platz bietet. In einer angemessenen Atmosphäre, die den Mitarbeitern die Möglichkeit gibt, Dinge flexibel, auf eigene Faust zu machen, über Grenzen hinweg zu kooperieren und Neues ohne Aufwand anwenden zu können, finden Veränderungen statt. Dabei richtet man sich geschickterweise an den Bedürfnissen der Kunden aus. Wenn dann noch durch stressfreie, fehlertolerante Einstellungen und Offenheit, die Bereitschaft Neues auszuprobieren gefördert wird, findet gemeinsames Lernen statt. Damit sind alle anpassungsfähig.
  • Beteiligung
    Sobald man verstanden hat, dass die Gruppe wesentlich mehr Möglichkeiten schaffen, als einzelne Genies, muss man sich darum kümmern, das Team in die Lage zu versetzen Entscheidungen am Ort des Geschehens treffen zu können. Dies erfordert, dass die relevante Information verfügbar ist und gleichzeitig alle wissen, dass sie einen positiven Beitrag leisten können und dürfen sowie Planungen gemeinsam ausgestaltet werden. Damit rückt das Team in den Mittelpunkt – mit all seinen Zielsetzungen, verteilten Machtverhältnissen und Gruppenprozessen. Entscheidend ist der Aufbau von entsprechenden Fähigkeiten bei den Mitarbeitern, aber auch bei den Führungskräften, die einen Teil ihres Egos aufgeben müssen. Die Beiträge durch die Beteiligung aller Mitglieder kumulieren zu einer größeren Summe als die Summe der einzelnen Ergebnisse.
  • Stimmigkeit
    Das Zusammenwirken vieler Interessen führt natürlich zu einem breiten Spektrum an Lösungen, die sich im schlimmsten Fall sogar widersprechen. Aus diesem Grund müssen Bedingungen geschaffen werden, die das Auseinanderlaufen der Beteiligten auf ein gesundes Maß beschränkt. Der bekannte Fisch, der vom Kopf stinkt, hat dabei eine wichtige Vorbildfunktion. Vor allem anderen müssen die gewünschten Umgangsformen zu Papier gebracht werden. Dies gilt für die Kultur mit ihren Überzeugungen, Werten und dem Zusammenarbeitsstil sowie für die etablierten Entscheidungs- und Vereinbarungswege. Damit das beschriebene Verhalten auch gelebt wird, haben die Führungskräfte die Verantwortung sich die Erwartungen zu eigen zu machen und jederzeit entsprechend stimmig zu handeln. Darüber hinaus wirken sie persönlich auf die Mitarbeiter ein, indem sie die gemeinsame Sicht stets konsistent ausdrücken und entsprechend die Beteiligten integrierend koordinieren. Die Stimmigkeit von Aussagen, Verhalten und Entscheidungen verhindert Widerstände.
  • Mission
    Die Auftragsklärung ist schließlich das formale Element, um die Tür zu Neuem durchschreiten zu können. Der ausformulierte Schnappschuss der Zukunft, der die anvisierten Endstationen beschreibt, zeigt die Raison d’être der Unternehmung. Jeder wird dann seine Vorstellung vom Weg zum Bestimmungsort entwickeln. Im Interesse des Zusammenwirkens aller Kräfte schaffen konkrete Meilensteine Orientierungspunkte, die die Kräfte immer wieder neu auf das gemeinsame Ziel ausrichten. Umso mehr die Vision, Mission und Strategie an der Zielgruppe ausgerichtet sind, umso klarer leiteten sie die Mitarbeiter. Der ausformulierte und allen zugängliche Auftrag reduziert die Auslegungsfreiräume auf ein Minimum.

Fazit: Auch wenn die Welt sich scheinbar so oder so wandelt, brauchen Veränderungen, die schneller oder grundsätzlicher erfolgen sollen, Anstrengungen im Vorhinein. Alle Betroffenen müssen in die Lage versetzt werden, sich anpassen zu können und dürfen. Es müssen Plattformen für die Beteiligung geschaffen werden. Alle Aspekte des Geschäfts müssen stimmig gemacht werden, damit Unsicherheiten bezüglich des richtigen Vorgehens vermieden werden. Und vor allem muss eine klare Richtung vorgegeben werden. Damit ist jedoch noch nichts verändert. Aber ohne diese Aspekte bleiben Veränderungen fast unmöglich. Verantwortlich für die Schaffung der Rahmenbedingungen, die erst mal nur Aufwand bedeuten, ist die Führungsmannschaft. Danach folgt die eigentliche Veränderung. Von nichts kommt halt nichts.