Archiv der Kategorie: Kultur

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Wer zu spät kommt, den straft das Leben nicht unbedingt

Die Worte „Ich hätte …“  machen verantwortliche Führungskräfte zu Hättisten. Diese Leute verfügen über das Geschick im Nachhinein alles besser zu wissen. Desto häufiger die Nutzung des Konjunktivs von haben, umso eher handelt es sich um einen derartigen Vertreter. Sie sind Bremsklötze des Fortschritts, die selbst keine positiven Ergebnisse erzeugen und die Zukunft über den Rückspiegel anvisieren. Sie schaffen einerseits nichts zur richtigen Zeit und andererseits rauben sie zur falschen Zeit den Aktiven den Schwung. Durch ihr schlechtes Timing machen sie nichts (falsch).

Was macht die Hättisten eigentlich aus?

Sie sind vor allem retrospektive Entscheider.
Hättisten wissen, dass eine Entscheidung die Wahl zwischen mehreren Alternativen ist. Auf Basis von rationalen Kriterien oder schwer definierbaren Gefühlen treffen sie ihre Beschlüsse im Nachhinein. Für sie spielt es keine Rolle, ob sie

  • mit oder ohne sichere Vorausschau,
  • mit oder ohne Schwierigkeiten,
  • mit oder ohne das Durchspielen von Konsequenzen,
  • mit oder ohne Berücksichtigung von Pro und Kontra, und
  • mit oder ohne Druck

entscheiden. Sie sind stets zu spät. Dadurch führen verpasste Aktivitäten und fehlende Vorgehensweisen zu zufälligen Ergebnissen und unvorhersehbaren Folgen. Ihr Mangel besteht im schlechten Timing.

Sie verfügen immer über die beste Lösung
Ihre unbestrittene Fähigkeit ist ein gutes Verständnis von Lösungen und der Unterscheidung zwischen guten und schlechten Auswirkungen. Das Problem wird

  • sauber aus dem Kontext abgeleitet,
  • die Zuständigkeiten erkannt,
  • der Ablauf beschrieben,
  • aus verschiedenen Perspektiven beobachtet,
  • mit einem einfachen Satz beschrieben und
  • bezüglich negativer Aspekte untersucht.

Anschließend leiten sie Ziele (siehe, Link) und Maßnahmen ab. Mit ihren Fähigkeiten sind sie in der Lage, die beste Lösung zu schaffen. Das schlechte Timing verhindert jedoch, dass sie im richtigen Moment liefern. Sie sind einfach zu spät.

Je später, desto besser
Der beste Moment für eine Entscheidung ist dann, wenn das weitere Prozedere festgelegt bzw. aus mehreren Alternativen ausgewählt und freigegeben werden muss. Die Schwierigkeit besteht darin, dass

  • nicht alle Einflüsse im Vorhinein bekannt sind,
  • manche unreflektierte Entscheidungen in die falsche Richtung gehen,
  • einige Informationen gewollt oder ungewollt und ungenau oder falsch sind,
  • bei der Umsetzung Komplikationen weitere Entschlüsse brauchen,
  • die beteiligten Personen die Initiative nicht verstehen wollen oder können,
  • häufig die Option für einen sofortigen Abbruch nicht in Betracht gezogen wird.

Eine Entscheidung im Nachhinein hat den Vorteil, die Auswirkungen vor Augen zu haben. Dadurch können nachträgliche Entscheider die aufgetretenen Stolpersteine umschiffen. Sie verpassen nur den erforderlichen Moment.

Sie tragen nichts aktiv bei
Ihre Beiträge sind sinnlos und bleiben ungenutzt, da die Umsetzung bereits erfolgt ist. Das hindert sie jedoch nicht, ihre „Kommentare“ nachträglich einzubringen. Sie belasten die Beteiligten durch demotivierende Aussagen zu vergangenen Aktivitäten und liefern als Spätzünder auch keine Lösungen für die aktuelle Aufgabenstellung. Sie erzeugen unwirksame Hättiraden, z.B.

  • Ich hätte mich richtig vorbereitet,
  • Hättet Ihr Euch die Zeit genommen.
  • Ihr hättet das Risiko vermieden, wenn …,
  • Ich hätte das nicht so gemacht.

Mit diesen gehaltlosen Beiträgen behindern diese anachronistischen Reichsbedenkenträger die neuerliche Entscheidungsfindung – leider gerade dann, wenn das Team sich dem nächsten Problem widmet.

Fazit: Bei den Hättisten handelt es sich um eigentlich wertvolle Mitarbeiter. Sie verfügen über ein gutes Verständnis der Bausteine, Zusammenhänge und Lösungen. Leider schaffen sie es nicht, ihre Fähigkeiten zur richtigen Zeit zu aktivieren. Einen Ausweg bieten Workshoplayouts, die beispielsweise aus der Sicht des erreichten Ziels eine retrospektive Planung durchführen. Hierzu bringt man die Teilnehmer mental in die Zukunft und lässt sie rückblickend aus der angenommenen Zukunft das Vorhaben betrachten. Dies könnte helfen, dass die ungewollten Hättisten ihre Kenntnisse einbringen und die erforderlichen Schlüsse ziehen. Allerdings erreicht man damit nicht die Politischen, da sie aus Prinzip Entscheidungen vermeiden, um im Falle des Scheiterns ihre Hände in Unschuld zu waschen. Wer zu spät kommt, hat nichts (falsch) getan und kann auch nicht unbedingt für ein schlechtes Ergebnis bestraft werden.

Wenn Selbstvertrauen zu Hybris wird

Die größte Hürde auf dem Weg zur Umsetzung der eigenen Vorhaben ist die Unsicherheit bezüglich der eigenen Fähigkeiten – den vorhandenen Rollen; Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken (SWOT); den Angeboten und den dazugehörigen Bausteinen des Geschäfts (Business Model Canvas); vor allem der eigenen Strategie. Die Elemente, auf denen wir das Selbstvertrauen aufbauen, verunsichern, weil wir nur ein vages Selbstbild haben. Zusätzlich entwickeln wir hohe Erwartungen und überhöhen unsere verfügbaren Anlagen. Wir übersehen unsere Schwächen und die Gefahren und huldigen gleichzeitig einem unrealistischen Perfektionismus. Diese Widersprüche erzeugen verstörende Selbstzweifel, die oft in Überheblichkeit gipfeln. Verstärkt wird die Situation durch Coaches und Berater, die uns glauben machen, dass wir unser Angebot durch eine aufpolierte Außendarstellung und souveränes Auftreten unterstreichen müssen. Sie vergessen dabei zu erwähnen, dass unser Ergebnis auf unseren tatsächlichen Möglichkeiten aufbaut. Die Folge ist eine übertriebene Selbstgefälligkeit, die leicht zu Hybris wird.

Bei der schrittweisen Entdeckung unserer Möglichkeiten orientieren wir uns an den Wettbewerbern. Wir laufen dabei Gefahr, die Bodenhaftung zu verlieren – die Messlatte liegt am Ende stets höher als beim Wettbewerber. Wenn wir dann noch unsere aufrichtige Selbsteinschätzung abschalten, führen blinder Stolz und übertriebene Selbstverliebtheit zur Überschätzung der eigenen Fähigkeiten – vom gesunden Selbstvertrauen direkt in die Hybris. Folgende Maßnahmen verhindern dieses Abheben in ungesunde Selbstüberschätzung.

  • Erfüllbare Leistungen
    Die Beschreibung des eigenen Geschäftsmodells, des Selbstbildes und der Strategie liefert die Elemente, mit denen Sie Ihre Kunden gewinnen. Die Betonung liegt auf beschrieben. Wenn Sie beispielsweise Ihre Zukunft nicht in Wort und Bild verdeutlichen, können Sie nicht erwarten, dass Ihre Kunden sich darauf einlassen. Entscheidend ist Ihr machbares Nutzenversprechen, dass auf die gewünschten Zielgruppen zugeschnitten ist.
    Wecken Sie keine Erwartungen, die Sie nicht erfüllen können.
  • Unterschiedliche Blickwinkel
    Nehmen Sie bei der Ausarbeitung unterschiedliche Standpunkte ein, um Ihre geschäftlichen Bestandteile mit abweichenden Maßstäben zu bewerten – z.B. aus Kundensicht, aus finanzieller, gestalterischer und technischer Perspektive. Sie fördern damit auch das gemeinsame Verständnis.
    Visieren Sie bestimmte Gruppen an und vermeiden Sie die eierlegende Wollmilchsau, da Sie nie alle mit einer Lösung glücklich machen können.
  • Wirksame Resonanzgruppen
    Die Betrachtung sollte nicht von einem elitären Kreis von Querdenkern im Elfenbeinturm durchgeführt werden, sondern unter Beteiligung wesentlicher interner und externer Stakeholder – aus verschiedenen Ebenen, Fachgebieten, Regionen, Kulturen usw. Dadurch erhalten Sie ein umfassendes Feedback.
    Bemühen Sie sich um möglichst vielfältige Rückmeldungen, da in einer breit aufgestellten Gruppe mehr Ergebnisse erzeugt werden, als wenn jeder für sich arbeitet.
  • Offene Feedbackkultur
    Der Gedankenaustausch läuft schnell und ungesteuert ab. Dabei setzen sich spontan Kräfte frei, die die Vorschläge n im Keim ersticken. Dies führt dazu, dass Meinungen nicht mehr frei geäußert werden. Das Feedback sollte so ausgetauscht werden, dass klar wird, was sachlich gemeint ist und Rückmeldungen wertfrei, zeitnah und unter vier Augen geteilt werden.
    Vermeiden Sie toxische Rückmeldungen auf Feedback, indem Sie Regeln festlegen, die störende Kritik unterdrücken und den offenen Austausch der Ideen fördern.
  • Überzeugte Selbstdarstellung
    Am Ende geht es um eine wirkungsvolle Aufbereitung Ihrer Möglichkeiten, die beim Publikum angemessene Erwartungen wecken – ohne prahlerische und unerfüllbare Großspurigkeit. Auf Basis der bisherigen Maßnahmen entwickeln Sie Ihr Selbstbild, an das Sie, Ihre Führungskräfte und Mitarbeitenden sowie Partner glauben können. Sie präsentieren sich im richtigen Licht und erzeugen Schwung und Commitment in Ihrem Bereich.
    Solide Selbstbewusstsein schafft Vertrauen und einen authentischen Auftritt – ohne Hybris.

Fazit: Klappern gehört seit Jahrhunderten zum Handwerk. Es ist der Weg, um auf sich aufmerksam zu machen. Früher war das Klappern der Soundtrack eines Gewerbes – es klapperten Mühlen, Maschinen, Werkzeuge und Webstühle. Heute erreicht das Klappern der Tastatur die Klienten nicht mehr. Um auf uns aufmerksam zu machen, braucht es eine auf Kunden ausgerichtete Selbstdarstellung, die uns aus der Menge der Angebote hervorhebt. Wenn dem Selbstvertrauen die Grundlage fehlt, führt das schnell zu schädlicher Überheblichkeit. Sie brauchen erfüllbare Leistungen, die überzeugend dargestellt sind. Betrachten Sie Ihr Geschäftsmodell, die Strategie und das Selbstbild aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Eine diverse Resonanzgruppe hilft bei der Bewertung mit ehrlichem Feedback. Durch eine offene Feedbackkultur werden die unterschiedlichen Meinungen gehört und können verarbeitet werden. Das Ergebnis ist eine überzeugende Selbstdarstellung, die ohne Übertreibungen Ihre Möglichkeiten aufzeigt. Schlussendlich verhindern Sie damit, dass Ihr Selbstvertrauen zur Hybris wird.