Archiv der Kategorie: Governance

Governance deckt Regelungen und Steuerungsaspekte ab.

Rein in den Vertrag, raus aus dem Vertrag – Und Tschüss

Viele Dienstleistungen werden heute in Form einer Mitgliedschaft angeboten. Das beginnt bei dem Fitness-Center um die Ecke, geht über eine ADAC-Mitgliedschaft, bis hin zu einem Abonnement bei Netflix. Damit man in den Genuss der Vorzüge der Mitgliedschaft kommt, unterschreibt man einen Vertrag. Sobald man nicht mehr zahlt oder sogar kündigt, entfallen die vereinbarten Vorzüge. Man kommt schnell rein in den Vertrag, aber ist auch nach Ablauf der Mitgliedschaft ohne Verzug draußen – Und Tschüss.

mitgliedschaft

Dies gilt für alle, aber vielleicht meinen manche nicht für sie, wie man an den Erwartungen der Briten erkennen kann. Sie meinen tatsächlich, dass sie kündigen (was sie ja noch nicht getan haben) und trotzdem die Vorteile der EU weiter nutzen können – natürlich ohne die entsprechenden Verpflichtungen. Dabei sind Verträge immer gleich gestrickt.

  • Fristen
    Hier wird festgelegt, wie lange ein Angebot Gültigkeit hat. Sobald die Frist abgelaufen ist, ist ein Anbieter nicht mehr verpflichtet, zu den angegebenen Konditionen seine Leistungen anzubieten. Bei dem Ausstieg der Briten geht es eher darum, dass der BREXIT sich mindestens über zwei Jahre hinzieht. Da David Cameron sich taktisch weigert den Vertrag zu kündigen, ist offen, wann die Frist wirklich startet. Solange sind sie noch Mitglied.
  • Bedingungen
    Unklar ist, welche Bedingungen gelten, sobald sie gekündigt haben. Einerseits ist England dann nicht mehr drin, aber auch noch nicht draußen. Was dies für Zahlungen, Haftungen, Gesetze usw. bedeutet wird erst in den anstehenden Verhandlungen geklärt. Damit haben die Briten noch eine Schonfrist, um sich auf den Verlust der europäischen Rechte einzustellen. Dem Rest von Europa bleibt nichts übrig als die Zeit zu nutzen, um die Umzüge von Banken, Unternehmen und Institutionen durchzuführen sowie neue taktische Wirtschaftsstandorte aufzubauen.
  • Rechte
    Durch die Kündigung verlieren die Vertragspartner spätestens nach zwei Jahren die Rechte, die sich aus dem Vertrag ergaben. Das beginnt bei steuerlichen Sonderregelungen, geht über Hürden beim Import und Export sowie dem Verlust des Mitspracherechts bei europäischen Entscheidungen, bis hin zur Reisefreiheit der Bürger. Die Schweizer können ein Lied davon singen, nicht an den europäischen Abstimmungen beteiligt zu sein.
  • Konfliktlösungen
    Spannend wird die Frage, wie im Konfliktfall vorgegangen wird. England wird zu einem außereuropäischen Standort, vergleichbar mit den Ländern, die es noch nicht geschafft haben Vereinbarungen mit Europa zu treffen. Während bisher klar geregelt ist, wo rechtlich verbindlich Streitigkeiten gelöst werden, bauen sich in Zukunft fast unüberwindliche Mauern auf, die zumindest die Kosten im wirtschaftlichen Austausch explodieren lassen. Es ist unwahrscheinlich, dass dies zum Nachteil von Europa sein wird. Die Luxusgüter werden sich zwar verteuern, aber für die Wohlhabenden in England sollte dies nicht wirklich ein Problem sein. Ab wann diese Rechtssicherheit verloren geht, ist noch nicht absehbar.

Jeder Golf- und Tennisplatz hat sich darauf eingerichtet, Nicht-Mitglieder auf ihre Anlagen zu lassen. Die Spieler kommen nicht umhin, eine besondere Gebühr zu zahlen, nachdem sie geduldig in der Schlange gewartet haben, um überhaupt hereingelassen zu werden. Dies sollte den Engländern jedoch klar sein.

Fazit: Die Sachlage ist eigentlich einfach. Die Engländer möchten austreten. Gut. Als Inselvolk sind sie es gewohnt, ihre eigenen Wege zu gehen. In diesem Fall sollte von den europäischen Politikern sichergestellt werden, dass keine Hintertüren aufgemacht werden, die am Ende die EU-Bürger bezahlen. Es bleibt zu hoffen, dass die richtigen Maßnahmen bereits eingeleitet wurden, die entsprechenden EU-relevanten Umfänge aus England abgezogen werden und die entsprechenden Grenzbarrieren wieder in Kraft treten. Rein in den Vertrag, aus aus dem Vertrag – Und Tschüss!

Die Belegschaft intern pfeifen lassen

In den ersten Jahrzehnten des Internets hat sich für uns vor allem die Form von Öffentlichkeit und Teilhabe verändert. Politik, Wirtschaft und unsere Freizeit sehen heute völlig anders aus. Obwohl Unternehmen die Möglichkeiten der Informationstechnologie in allen Bereichen ausschöpfen, fehlen angemessene Lösungen für eine interne Kultur der Selbstkritik. Althergebrachte Hierarchien sind dabei genauso herausgefordert wie zentralistische Nationalstaaten. Der Dienstweg reicht nicht mehr aus, um Ordnungsmäßigkeit sicherzustellen. Informationen folgen eigenen Regeln und finden ihren Weg in die Öffentlichkeit. Konzerne können es sich nicht mehr leisten, dass Geschäftspraktiken am Rande oder sogar jenseits der Legalität durchgeführt und schließlich bekannt werden. Wie hoch die Kosten eines Lecks sein können, werden wir wissen, sobald die Kosten der aktuellen Krise bei VW feststehen. In jedem Fall wird es sich um Milliarden Euros handeln. Anstelle die Whistleblower in die Arme der breiten Öffentlichkeit zu treiben, wäre es besser, interne Kanäle zu öffnen, die es der Belegschaft erlauben, ihrem Bedürfnis nachgeben zu können und intern zu pfeifen.

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Der Vorstand und die Führungskräfte müssen verstehen, dass die frühzeitige Aufdeckung von illegalen Aktivitäten die Viabilität des Unternehmens sichert. Es handelt sich beim Enthüllen oder dem Veröffentlichen von Skandalen durch sogenannte Whistleblower nicht um Verrat, Illoyalität oder Untreue, sondern um einen Mechanismus der Selbsterhaltung. Niemand steht über oder außerhalb des Gesetzes. Ungeschickterweise empfinden Vorgesetzte das anders. Whistleblower werden als Nestbeschmutzer angesehen. Die Anstrengungen des Unternehmens beschränken sich auf den öffentlichkeitswirksamen Aufbau einer internen Revision. Deren Aufgabe ist es Schwachstellen zu suchen und Verbesserungen vorzuschlagen. Warum nicht ein System für interne Whistleblower etablieren, das es jedem Mitarbeiter ermöglicht seine Beobachtungen anonym mitzuteilen, ohne persönliche Konsequenzen fürchten zu müssen? Zu diesem Zweck könnte es helfen, die folgenden Aspekte zu berücksichtigen.

  • Fokus aufs Ganze
    Intern sollte ein Verständnis für das Gesamtunternehmen bestehen, das Bereichsegoismen und persönliche Agenden, die Nachteile für das Unternehmen nach sich ziehen, als schlecht kennzeichnen.
  • Subsidiaritätsprinzip schafft Entscheidungsraum
    Voneinander abgegrenzte Zuständigkeiten verteilen die Verantwortung in der Organisation. Am Ende ist der Vorstand nicht mehr automatisch für Fehlverhalten auf einer unteren Stufe haftbar zu machen, sondern die dafür Verantwortlichen. Dies gilt vor allem für das Anzeigen von schwerwiegenden Verstößen.
  • Unternehmenswerte veröffentlichen
    Für alle Mitarbeiter und Führungskräfte gelten Gesetze, wie für jeden anderen Bürger. Die Veröffentlichung der Verpflichtung zur Einhaltung der Gesetze in den Unternehmenswerten ist wichtig, um den Mitarbeitern das Gefühl zu nehmen, dass sie sich in einem rechtsfreien Raum befinden.
  • Fehlerkultur
    Informationen, die über eine interne Meldestelle bekannt werden, sollten nicht automatisch Grundlage für Sanktionen sein, sondern Ausgangspunkt zur Behebung von Missständen.
  • Null-Toleranz
    Ungesetzliches Verhalten sollte intern so behandelt werden wie im Rest der Gesellschaft. Nicht jeder Fall führt zu einem juristischen Verfahren. Schiedsstellen ermöglichen das Lernen aus Fehlern und erleichtern eine Anpassung, ohne das Fehlverhalten übertrieben sanktionieren zu müssen. In manchen Fällen ist es jedoch unumgänglich die entsprechenden Personen anzuzeigen, da man sich sonst der Mitwisserschaft schuldig machen würde.
  • Unrechtsbewusstsein
    Eine neue Aufgabe für die Rechts- oder der neu geschaffenen Compliance-Abteilungen wird es sein, den Mitarbeitern das notwendige Rechtsverständnis beizubringen. Erst mit diesem Unrechtsbewusstsein und in Verbindung mit dem internen Vorgehen für Whistleblower kann das Unternehmen darauf hoffen, dass kein Fehlverhalten stattfindet.
  • Internes Pfeifen
    Schwierigkeiten passieren häufig an einzelnen Arbeitsplätzen. Mitarbeiter können zum Vorteil des Unternehmens und damit zum eigenen Wohl Korrekturen von Fehlentwicklungen anstoßen. In einzelnen Fällen werden die Schwierigkeiten jedoch erst aus einer Gesamtschau sichtbar. Dann müssen sich auch Führungskräfte beteiligen.

Die Vorstellung, dass große Organisationen rechtsfreie Räume sind, ist spätestens seit der Einführung von Compliance-Bereichen vorbei. Ob ein Unternehmen rechtsbewusster wird, indem es ehemalige FBI-Beamte zur Kontrolle einstellt, mag der Beruhigung der Beziehungen zu den US-Behörden geschuldet sein. Compliance beginnt jedoch im Kopf eines jeden Mitarbeiters. Um Gewissenskonflikte der Mitarbeiter zu verhindern, wäre es sicher geschickter sie intern pfeifen zu lassen.

Fazit: Niemand steht über dem Gesetz. Und Gesetze, die befolgt werden müssen, finden sich in allen Bereichen des Unternehmens. Ein internes System zur Meldung von illegalen Praktiken ist besser, als die Mitarbeiter in die Öffentlichkeit zu treiben. Der Schaden ist dann viel größer. Aus diesem Grund sollten Unternehmen ihre Belegschaft intern pfeifen lassen.