Archiv der Kategorie: Management

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Der erste Schritt ist das richtige Menschenbild

Trotz der digitalen Euphorie werden wir es in absehbarer Zeit nicht erleben, dass die Arbeitskraft der Menschen weitreichend in den Cyberspace überführt werden kann. Dieser Transfer in den Computer beschränkt sich auf die einfachen, sich immer wiederholenden Aufgaben, die man auch niemandem als Lebensunterhalt wünscht – frühmorgens Teige ansetzen und kneten, Autoteile schweißen und lackieren, Minerale aus Minen fördern, chemische Analysen durchführen, einfache technische Dienstleistungen abwickeln, Serienbriefe verschicken usw. Sobald es sich nicht um spezialisierte Aufgaben handelt, die einem überschaubaren Ablauf folgen, ist es nicht zu erwarten, dass die Maschinen die Art gesunden Menschenverstand entwickeln, die in den sozialen, gesundheitlichen und kulturellen Berufen sowie in gestalterischen Dienstleistungen und Führungsaufgaben benötigt werden (für mehr: Melanie Mitchell, Artificial Intelligence: A Guide for Thinking Humans). Dies bedeutet, dass wir uns noch eine Weile mit der geschickten Strukturierung der Arbeit und dem Zusammenspiel von Menschen beschäftigen müssen. Damit das klappt, braucht man das richtige Menschenbild.

Eine große Hürde für das Management um geschickte Zusammenarbeitsmodelle zu finden sind die Stereotypen, diese von vielen genutzten Verallgemeinerungen einzelner Personen, die den Einzelmenschen sachlich nicht hinreichend beschreiben. Sie führen zu Vorannahmen, die unseren Umgang mit Anderen sowie unsere vielfältigen Handlungen und Entscheidungen stark beeinflussen. McGregor hat in den Sechzigern des vergangenen Jahrhunderts zwei grundsätzliche Typen beschrieben, die die Auswirkungen zeigen.

Theorie X

Die Theorie X bildet die Grundlage für eine strikte Leitung und Kontrolle durch das Management. Dabei geht die Führung von den folgenden Aspekten aus. (1) Der Durchschnittsmensch hat eine angeborene Abneigung gegen Arbeit und vermeidet sie, wenn er kann. (2) Deshalb muss er gezwungen, kontrolliert, geführt und bei Bedarf bestraft werden, damit er sich angemessen um die Erreichung der organisatorischen Ziele kümmert. (3) Der Durschnittsmensch zieht es vorgeführt zu werden, möchte Verantwortung vermeiden, hat wenig Engagement und wünscht sich vor allem Sicherheit. Auf Basis dieser Annahmen entsteht der folgende Teufelskreis (X).

  1. Die Führungskräfte leiten daraus die Notwendigkeit von strikten Vorgaben und der regelmäßigen Kontrolle der Mitarbeiter ab.
  2. Die Mitarbeiter erfüllen die Aufgaben wie gefordert. Die Entscheidungskompetenz und die Verantwortung liegen bei der Führungskraft. Aktives Mitdenken und eigenmächtige Anpassungen durch die Mitarbeiter führen zu Konflikten und Sanktionen.
  3. Durch die Verteilung von Aufgabe, Kompetenz und Verantwortung werden die Mitarbeiter verantwortungs- und risikoscheu und unterdrücken jegliche Impulse initiativ einzugreifen – weiter mit (1).

Die Führung fühlt sich durch das widerstrebende Verhalten der Mitarbeiter bestätigt und verstärkt die Vorgaben und Kontrollen. Bei wiederholtem Durchlauf verschärfen sich die Spannungen. Das Ende ist vorhersehbar. Die Unternehmung erstickt in einem Wust an Vorschriften, an einer durch kleinteilige Führung unterdrückten Begeisterung und durch das zerstörte Commitment der Mitarbeiter.

Theorie Y

Die Theorie Y strebt die Abstimmung der Führungs- und Mitarbeiterziele an. Die Grundlage bieten dafür die folgenden Annahmen. (1) Der Durchschnittsmensch hat keine angeborene Abneigung gegen Arbeit. Er sieht sie, abhängig von den beeinflussbaren Bedingungen, als eine Quelle der Befriedigung, die freiwillig durchgeführt wird, oder als eine Quelle der Bestrafung, die möglichst vermieden werden soll. (2) Der Mensch führt und kontrolliert sich selbst bei der Umsetzung der Ziele, zu denen er sich verpflichtet hat. (3) Das Commitment, das die eigenen Ziele auf die gemeinsamen ausrichtet, wird belohnt durch die Befriedigung des Egos und der Selbstverwirklichung. (4) Der Durchschnittsmensch übernimmt nicht nur Verantwortung, sondern sucht sie – Widerstand entsteht aufgrund schlechter Erfahrungen. (5) Die Lösungskompetenz ist nicht beschränkt auf die Führung, sondern breit gestreut in der gesamten Belegschaft. (6) Die Fähigkeiten der Mitarbeiter werden so weit wie möglich genutzt. Auf Basis dieser Annahmen entsteht der folgende Kreislauf (Y).

  1. Die Führungskräfte bieten den Mitarbeitern ausreichend Handlungsfreiräume und überlassen ihnen die Kontrolle.
  2. Dies ermöglicht es den Mitarbeitern, ihr Engagement selbst zu bestimmen und führt zu aktiver Beteiligung bei der Lösungssuche, den Entscheidungen und der kontinuierlichen Verbesserungen.
  3. Aufgabe, Kompetenz und Verantwortung liegen in den Händen der Mitarbeiter, die bereit sind initiativ zu werden und die Verantwortung für das eigene Tun zu übernehmen – weiter mit (1).

Beim wiederholten Durchlauf lernen alle Beteiligten die Chancen und Vorteile kennen – befreit von Kontrolle kann die Führung sich um das Ausräumen von Stolpersteinen und die Bereitstellung von strategischer Ausrichtung kümmern; die Mitarbeiter lernen die erweiterten Spielräume auszuschöpfen und bauen ihren Beitrag als Unternehmer im Unternehmen aus.

Fazit: Die VUKA-Welt hat sich derart beschleunigt, dass die alten Führungsansätze zu langsam sind. Trotzdem bleiben die alten Strukturen der Führung bestehen. Unternehmen suchen lieber ihr Heil in einer neuen Architektur der Büroräume, der Einführung von spielerischen Praktiken und der Forderung nach mehr Mitarbeitereinsatz. Der Büroplan löst feste Arbeitsplätze auf und schafft anpassbare Arbeitslandschaften, denen die Mitarbeiter ohne Vorbereitung und Eingewöhnungszeit ausgesetzt werden. Unzuverlässige, starre Planungsschritte werden durch agile Vorgehen mit Post-its und einer Vielzahl von Kleinveranstaltungen ersetzt. Die unternehmerischen Aufgaben werden von den Mitarbeitern erwartet – Planungs-, Entscheidungs- und Kontrollkompetenzen liegen jetzt bei ihnen. Die Führungskräfte verlieren dadurch zwar ihre Bestimmung behalten aber ihre Positionen und die letztinstanzliche Entscheidung. Für alle ist das eine ungewohnte Situation, die viele Fragen aufwirft: Wozu brauchen wir noch Führungskräfte? Wie sichern wir den Zusammenhalt und das Zusammenspiel im Unternehmen? Wie werden Entscheidungen zum Wohl des Unternehmens abgestimmt? Wer leistet welchen Beitrag zum Unternehmenserfolg? Wie honoriert man die Leistungen? Es gibt noch viel mehr zu berücksichtigen. Möchte man das Leistungsvermögen der Beteiligten ausschöpfen, kommt man umhin die Ideale des Industriezeitalters (d. h. Arbeitsteilung; das Richtige immer besser tun; Wachstum; Kosten senken; usw.) durch neue Ansätze zugunsten von Viabilität ersetzen – d. h. Nutzung des vorhandenen internen Einfallsreichtums; internen und externen Win-Win sicherstellen; entschlossene Erzeugung von Kundenzufriedenheit; Erzeugung von gesellschaftlichem Mehrwert.
Eine entscheidende Voraussetzung ist dafür als erster Schritt das richtige Menschenbild.

Wie viel für die Leitung eines Projektes bleibt

Das Bild, das wir uns von Projektleitern machen, wird durch unsere Vorstellungen bestimmt. Ein Projekt ist dabei ein zeitlich begrenztes Vorhaben unterschiedlicher Größe mit einem klaren Start und Ende sowie mit den erforderlichen Ressourcen – Personal, Budget, Infrastruktur. Leiter sind Persönlichkeiten, deren Rolle die Steuerung der Maßnahmen mit weitrechenden Befugnissen und Verantwortung für die Ergebnisse umfasst. Am Ende ist ein Projektleiter eigentlich ein Macher, Gründer, Arbeitgeber, Unternehmer oder eine Führungskraft. Dass diese Aufgabe häufig auf die Rolle eines Kontoristen oder eines Koordinators ohne Befugnisse beschränkt wird, erklärt die Tatsache, dass Projekte ihre Ziele oft nicht erreichen.

Der Unternehmensgründer startet normalerweise ein Geschäft zu einer Zeit. Die falschen Erwartungen an den Projektleiter führen zu fehlender Ermächtigung und zeigen sich an der Anzahl von gleichzeitigen Projekten, die geleitet werden sollen – ein einzelnes Projekt hat 100% Aufmerksamkeit (40 Stunden pro Woche); jedes von vier Projekten 25% (10 Stunden pro Woche); bei acht Projekten jeweils 13% (5 Stunden pro Woche). Je nach Modus Operandi (z. B. PMBoK, PRINCE, GPM oder sogar agile Ansätze) können sich die Aktivitäten unterscheiden. Allerdings muss in jedem Fall mit den Beteiligten gesprochen, das Team bei Bedarf geführt sowie tägliche und wöchentliche Berichte vorbereitet werden.

  • Erforderliche Kommunikation
    Hierzu zählen die Abarbeitung von Emails, Anrufen und Sitzungen. Im Schnitt müssen wir uns mit 21 bis 50 E-Mails pro Tag beschäftigen sowie 11 bis 50 Telefonate führen. Darüber hinaus sind Sitzungen mit den Projektteams, den Führungskräften und Externen nötig, die jeweils zwischen 15 bis 60 Minuten oder sogar mehr Zeit beanspruchen. Mit mehreren Vorhaben bleibt dem Projektleiter für den Austausch manchmal nur eine Stunde pro Woche.
  • Angemessene Führung
    Die Führung beinhaltet persönliche Abstimmungen mit Mitarbeitern und Managern (z. B. Feedback, Zielvereinbarung, Entwicklung), die Bewältigung von Streitigkeiten und Krisen sowie zur Motivation und Unterstützung. Auf das Jahr gesehen macht das schnell 20% der Arbeitszeit aus – d. h. über viele Vorhaben hinweg ein Tag pro Woche. Von diesen acht Stunden pro Woche bleibt manchmal nur eine Stunde für die Führung pro Initiative.
  • Vorgeschriebene Berichte
    Nachvollziehbarkeit ist der wesentliche Zweck der Berichte. Viele Adressaten gehen davon aus, dass Aktualität, Richtigkeit, Konsistenz und Aussagekraft von alleine auf Knopfdruck entstehen. Allerdings muss der Projektleiter durch Stichproben sicherstellen, dass die von den Mitarbeitern gelieferten Daten und Zahlen zeitnah und richtig verfügbar sind und zueinanderpassen. Das tägliche Controlling ist dabei die Voraussetzung für stets aktuelle Daten, die regelmäßig zu übergreifenden Berichten verdichtet werden.
  • Übergreifende Aufgaben
    Die Zusammenfassung der täglichen Daten zu den wöchentlichen, monatlichen und quartalsweisen Meilenstein- und Abschlussberichten bezüglich des Projektfortschritts, der eingesetzten Mitarbeiter, der finanziellen Verbräuche sowie Handlungs- und Entscheidungsbedarfen erzeugt für verschiedene Stakeholder einen aktuellen Überblick. Zusätzlich finden wöchentlich bestimmte Aufgaben statt, wie z. B. Wochenstart und -abschluss inklusive Lessons learned und Plananpassungen. Die Anzahl der Berichte kann sich von einem Vorhaben zum anderen unterscheiden. Mit mehreren Projekten bleibt dem Projektleiter vielleicht nur eine Stunde pro Woche für die Erstellung von schlüssigen Berichten im jeweiligen Vorhaben.
  • Verbleibende Zeit
    Der Rest steht für sonstige spontane Aufgaben zur Verfügung – inhaltliche, beziehungstechnische und persönliche Tätigkeiten. Mit mehreren Vorhaben bleibt dem Projektleiter vielleicht nur eine Stunde pro Woche für unerwartete Aufgaben.

Fazit: Dass diese Arbeitslast mit Überstunden nicht kompensiert werden kann, sollte klar sein. Projekte sind die Form für heutige Aufgaben. Nimmt man die Ziele ernst und möchte man die angestrebten Ergebnisse wirklich erreichen, dann sollten die Auftraggeber unter allen Umständen der Projektleitung die Chance bieten, sich einem Vorhaben zu widmen oder zu akzeptieren, dass das Projekt mit einer zwei Drittel Wahrscheinlichkeit scheitert. Ansonsten gilt: Projektleitern mit fünf parallelen Projekten bleiben acht Stunden pro Projekt und Woche.