Archiv der Kategorie: Management

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Aus den Vorteilen raus geredet

Es ist ein langer Weg, bis unterschiedliche Interessen harmonisiert sind, um schließlich Vorteile aus einer Partnerschaft zu ziehen. Dabei ist es wichtig, sich klar zu machen, was man bereit ist dafür aufzugeben und vor allem, was man sich davon erhofft. Manche Mitgliedschaften sind das Resultat von Verhandlungen. Andere können gekauft werden, in dem man einen bestimmten Beitrag bezahlt. Nach erfolgreichem Beitritt macht man das Beste daraus. Die EU ist ein solcher Klub, der über die Jahre immer größer geworden ist. Ein Teil der Mitglieder scheint jedoch nicht die Regeln einer solchen Mitgliedschaft beherzigen zu wollen. Sie ziehen ihre Vorteile aus den Rechten, ohne ihre Pflichten zu erfüllen. Und dann gibt es da noch die Engländer, die glauben austreten zu können und trotzdem die Vorzüge des gemeinsamen Marktes weiter nutzen zu können. Dabei haben sie sich selbst aus den Vorteilen raus geredet.

Eigentlich sind die Grundsätze einer Mitgliedschaft Allgemeingut.

  • Aufnahmekriterien
    Klubs nehmen nicht jeden auf. Man muss bestimmte Voraussetzungen erfüllen, um Mitglied zu können. Die Festlegung dieser Anforderungen ist immer gut beschrieben. Für die EU gelten die Kopenhagener Kriterien, z.B. institutionelle Stabilität, rechtsstaatliche Ordnung, eine funktionierende Marktwirtschaft und die Übernahme des gemeinschaftlichen Rechts. In anderen Beitritten reicht die Bezahlung der Mitgliedbeiträge. Solange die Kriterien erfüllt werden, hat man Anspruch auf die angebotenen Vorteile.
  • Beginn der Mitgliedschaft
    Der Beitritt erfolgt auf eigenen Wunsch mittels eines Antrags und der erfolgreichen Erfüllung der Aufnahmekriterien. Bei der EU handelt es sich um ein aufwendiges Verfahren, der Prüfung eines umfangreichen Fragenkatalogs, dem sogenannten Screening. Danach beginnen die Verhandlungen, die schließlich im Beitrittsvertrag enden. Auch in anderen Vereinigungen werden ähnliche Schritte durchgeführt. Wie umfangreich die Prüfungen sind, bestimmt jede Vereinigung für sich – von dem Eingang des Mitgliedbeitrags, bis hin zu einem aufwendigen Verfahren, wenn auch nicht so umfangreich, wie bei der EU.
  • Vorteile der Mitgliedschaft
    Die wesentlichen Vorteile einer Mitgliedschaft sind die Angebote, die sich innerhalb der Gemeinschaft bieten. In der EU sind das die Vorteile des Binnenmarktes, die Freizügigkeit für Arbeitnehmer, der Wegfall von Grenzkontrollen und natürlich der Euro. Egal wie man zu einzelnen Aspekten der EU steht, scheint die Gemeinschaft so verlockend zu sein, dass Länder beitreten wollen. Das Gleiche gilt für alle Mitgliedschaften. Es gibt interessante Angebote, die man gegen die Aufwendungen für die Zugehörigkeit aufwiegen muss. Fällt die Bewertung positiv aus, wird man Mitglied und genießt die Vorteile, solange man in der Gemeinschaft ist.
  • Beendigung der Mitgliedschaft
    Jede Mitgliedschaft kann von beiden Seiten beendet werden. Bisher wurde niemand zum Austritt aus der EU gezwungen. Im Gegenteil. Die Gemeinschaft hat sich stets bemüht Ländern, die Schwierigkeiten hatten, zu helfen. Mit dem BREXIT hat sich die britische Politik das Votum der Bevölkerung geholt auszutreten, indem die Pflichten als Nachteile dargestellt wurden. Das Prozedere versprach Verhandlungen über einen geordneten Austritt. Leider haben die Engländer den wichtigsten Grundsatz einer Mitgliedschaft außer Acht gelassen: Verlässt man einen Klub, dann verliert man auch seine Vorteile. Das gilt für jede Mitgliedschaft, unabhängig, wie schwierig der Zutritt mal war.

Fazit: Es wird viel geredet über einen geordneten oder einen ungeordneten Austritt Englands. Die Ordnungsrufe im Parlament helfen auch nichts mehr. Vermutlich geht es nur nach darum, die Zeit bis zum 29. März 2019 zu überbrücken. Allerdings werden die Schäden, die durch den Rückzug der europäischen Wirtschaft entstehen, die Briten noch lange Jahre belasten. Die erhoffte Entlastung wird durch die Folgekosten weit übertroffen. Wohlgemerkt nicht ganz Großbritannien wird betroffen sein. Die Schotten werden die Unabhängigkeit anstreben und am Ende wird Irland wahrscheinlich zusammenwachsen. Die Engländer werden sich in die Bedeutungslosigkeit beamen, wenn sie JETZT nicht das Ruder herumwerfen. Folgt man den allgemeinen Gepflogenheiten, findet genau das statt, was bei jeder Kündigung passiert. Es fallen keine Beiträge mehr an und man verzichtet auf die dazugehörigen Vorzüge. Damit hätten sie sich aus den Vorteilen raus geredet.

Das Agile profitiert vom Systemischen Denken

Löst man sich von den früheren Stilen der Führung, die von einem starken, autoritären Vorgesetzten ausgegangen sind, der seine Mitarbeiter nicht an Entscheidungen beteiligt, unbedingten Gehorsam erwartet, im Fehlerfall sanktioniert und Entscheidungen als Anordnungen versteht, dann hat das einen großen Einfluss auf das Denken aller Beteiligten. Mit dem Agilen rücken jetzt Fähigkeiten auf den Schirm, die bereits seit Jahrzehnten die Chaos-, Komplexitäts-, Sozial- und Systemforschung beschrieben haben. Das systemische Denken bietet Ansätze, die im Rahmen der neuen Agilität einen Beitrag leisten.Betrachten wir die neuen Denkweisen, die Barry Richmond zum Jahrtausendwechsel kompakt beschrieben hat und die hier leicht abgewandelt wiedergegeben werden.

  • Dynamisches Denken
    Das analytische Denken wird deutlich durch einen Fokus auf die Einzelteile, fachliche Vielfalt, wertende Betrachtung, klare Messpunkte, strikte Gliederung und objektive Wissenschaft. Die neuen Paradigmen haben herausgearbeitet, dass durch diese Sicht wichtige Aspekte verloren gehen.
    Systemisches Denken basiert im Gegensatz dazu auf Ganzheitlichkeit, fachübergreifender Zusammenarbeit, den Beziehungen zwischen den Elementen, dem Mapping verschiedener Gesichtspunkte, schwer messbaren Eigenschaften, Abläufen und erkenntnistheoretischer Wissenschaft (mehr hier).
    Agilität zieht seine Vorteile aus der Betrachtung von ablauforientiertem Verhalten und den entsprechenden Meilensteinen sowie den regen Zusammenhängen und Abhängigkeiten.
  • System-als-Ursache Denken
    Ausgangspunkt für Aktivitäten waren in der Vergangenheit die Einflussfaktoren, die auf ein System eingewirkt haben (System-als-Effekt). Mit der Erkenntnis, dass das System die Ursache für sein Verhalten ist, hat sich die Aufmerksamkeit verschoben auf die Erstellung von Leitlinien und offene Zusammenarbeitsformen.
    Agilität nutzt einfache Regeln und fördert die Selbstorganisation der Beteiligten, um so auf die Volatilen, Unsicheren, Komplexen und Ambigen Umstände zu reagieren.
  • Wald-Denken
    Der aufgliedernde, immer feiner werdende Ansatz der Vergangenheit, der durch immer mehr Computerpower dazu geführt hat, dass man den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr gesehen hat, wird jetzt von einem holistischen Ansatz abgelöst, der sich dem Problem durch die Betrachtung des Ganzen, dem Wald, nähert. Dadurch kommt man über die Zusammenhänge, den Beziehungen und Abhängigkeiten, einer viablen Lösung näher.
    Die agile Denke fördert das, indem alle für das Ganze verantwortlich sind und entsprechend Entscheidungen treffen.
  • Operatives Denken
    Der Schwerpunkt im analytischen Denken liegt auf den Faktoren, die zu einem Verhalten führen. Dazu gehören die Erziehung, die Ausbildung oder die gemachten Erfahrungen. Sie rücken in den Mittelpunkt der Betrachtung, die ausgestaltet und vorhergesagt wird. Im Gegensatz dazu liegt der Schwerpunkt beim operativen Denken auf dem Verhalten – insbesondere auf das aktuelle, sichtbare Tun. Dadurch werden die Sachverhalte betrachtet, die man zu bearbeiten gedenkt. Gleichzeitig lassen sich Handlungsansätze ableiten, die zu einer sofortigen Änderung des Verhaltens führen.
    Agil ist man nicht theoretisch, sondern immer praktisch, indem Aufgaben im Mittelpunkt stehen, die viable Ergebnisse erzeugen.
  • Zirkuläres Denken
    Bewegt man sich in einer Einbahnstraße und einer Ursache folgt eine Wirkung, die eine Ursache mit einer Wirkung, … dann entspricht dies dem analytischen Denken. Gefördert wird das von der Tatsache, dass wir nur 7plusminus2 Sachverhalte gleichzeitig verarbeiten können. Tatsächlich bewegen wir uns immer in einem dynamischen Umfeld, was dazu führt, dass eine Ursache zu vielen Wirkungen führt, die wiederum viele Wirkungen erzeugen und unter Umständen zu einer Rückkoppelung auf die erste Ursache führt. Aufgrund unserer bescheidenen Vorstellungskraft vermeiden wir zirkuläres Denken, da es uns überlastet, und wir uns gezwungen sehen, in Vereinfachungen zu flüchten.
    Die Agilität nutzt kurze Regelkreise, z.B. Sprints, die maximal vier Wochen dauern, um alle möglichen Ergebnisse zu erzeugen.
  • Qualitatives Denken
    Die meisten von uns werden durch das Erbe des analytischen Denkens, dem Fokus auf Kennzahlen und Messgrößen, immer nach den nächsten Kenngrößen suchen, die uns bei Entscheidungen helfen. Dabei ist das Ergebnis einer Addition (z.B. 1+1=2) keine Entscheidung, sondern nur die logische Folge, dass man Mathematik nutzt. Entscheidungen erfordern Qualitäten, wenn man im Verhalten nach Mustern sucht, die entscheiden, ob man etwas so oder so macht.
    Agilität sucht auch stets nach den weichen Faktoren, die den Fortschritt bestimmen, und zieht intuitive Meinungen harten Fakten vor.
  • Neues wissenschaftliches Denken
    Der größte Stolperstein des analytischen Denkens ist es, dass das naheliegende Ziel stets die Bestätigung der eigenen Hypothese ist. Und das, obwohl Karl Popper schon sehr früh die Falsifizierung in die wissenschaftliche Arbeit eingeführt hat – den Ansatz, dass man stets bestrebt sein muss, die eigene These zu widerlegen. In der Folge geht es darum, dass man sein Argument immer so darstellen muss, damit jedermann ihre Falschheit aufgezeigt werden kann. Entsprechende Testfälle sind deshalb vorzubereiten.
    Agilität fördert diesen Ansatz durch crossfunktionale Teams, die nicht durch verteilte Zuordnung der Aufgaben, z.B. Entwickler und Tester, bestimmt sind, sondern durch die gemeinsame Verantwortung für alle Aspekte der Ergebnisse.

Fazit: Es ist die Haltung, die die agile Zukunft bestimmt. Dazu gehören die bekannten Fähigkeiten, die seit Jahren genutzt werden und sich bewährt haben. Diese verschiedenen Denkstile (s.o.) sind zwar entgegen unseren geistigen Stärken und den eingeübten Verhaltensmustern, aber sie folgen Gesetzen, die sich in der Natur bewährt haben. Sobald der anerzogene Knoten des analytischen Denkens in unserem Kopf durch bewusstes Streben in Richtung systemisches Denken entwirrt ist, können die obigen Denkstile leicht angewendet werden. Die gute Nachricht ist: Das Agile profitiert von dem Systemischen Denken.