Archiv der Kategorie: Management

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Der Künstler – Prototyp für intrinsische Motivation

Was treibt uns an? Was reißt die Kollegen mit? Diese Fragen stellen sich jeden Tag. Der Blick in einen selbst liefert dabei nur eingeschränkt Antworten. Nehmen wir als Beispiel den Fotografen Thomas in dem Film Blow-up. Er ist in dem gesamten Film getrieben von Gestaltungswillen. Dieser Künstler sucht zwanghaft ohne Unterbrechung das nächste Bild, was aus ihm den anschaulichen Prototyp für intrinsische Motivation macht.

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Von einer Arbeit so gefesselt zu sein, dass man das Gefühl für die Zeit oder die Umwelt verliert, erfordert intrinsische und/oder extrinsische Motivation. Der Unterschied zwischen den beiden ist nur die Frage, wo der Impuls für das persönliche Engagement herkommt. In dem einen Fall aus sich selbst heraus. In dem anderen Fall wird der innere Antrieb durch externe Einflüsse ausgelöst. Die schließlich treibende Kraft steckt in einem selbst.

Intrinsische Motivation

Idealerweise entsteht der Beweggrund etwas zu tun in einem selbst drin – was ich will, wann ich will, wo ich will.

  • Es handelt sich zum einen um intrinsische Prozessmotivation. Dabei strebt man, nur aus Spaß an der Sache an sich, bestimmte Tätigkeiten oder Aktionen an. Die Handlung ist nicht mehr Mittel zum Zweck, sondern wird zum Selbstzweck. Es ist Belohnung genug, sich mit der Sache beschäftigen zu können. Die besten Beispiele sind die vielen Künstler, die zu Lebzeiten weder von noch ohne ihre Kunst leben konnten.
  • Zum anderen ergeben sich Anregungen aus dem internen Selbstverständnis. Durch die eigenen Eigenschaften, Fähigkeiten und Werte wird ein bestimmter Tatendrang ausgelöst. Das Gefühl das Richtige zu tun, verstärkt dabei die betroffenen inneren Grundsätze zusätzlich. Denken wir nur an die Freiwilligen, die sich sozial engagieren und die positiven Auswirkungen ihres Tuns erleben. Im Laufe der Zeit streben sie immer höhere Standards an.

Im Film ist der Fotograf ein Getriebener, der in allen fotografischen Bereichen aktiv ist und ein Bild nach dem anderen schießt. Der Einzige, der ihn antreibt, ist er selbst. Intrinsische Motivation braucht nicht mehr, als das zur Sache passende Bewusstsein.

Extrinsische Motivation

Immer wenn äußere Einflüsse den inneren Schweinhund überwältigen, spricht man von extrinsischer Motivation. Die Auslöser heißen beispielsweise: Du bekommst etwas dafür! Du bist die Richtige! Diese Ziele passen zu Dir!! Du willst Dich doch weiterentwickeln!

  • Die formalen Anreize (instrumentale Motivation) nutzen die Unternehmen und Institutionen. Das gewünschte Verhalten wird beispielsweise durch Bezahlung, Beförderungen und Bonusse ausgelöst. Die Aussicht auf den Gewinn, persönliche Vorteile wie Freizeit, die Teilnahme an ausgewählten Veranstaltungen, oder der aufwendig ausgerüstete Laptop befriedigen die inneren Bedürfnisse und treiben die Mitarbeiter zu immer neuen Anstrengungen. Die Belohnungen lösen den verstärkten Einsatz aus.
  • Extern orientierte Menschen suchen Bestätigung ihrer Eigenschaften, Kompetenzen und Werte bei ihrer primären sozialen Bezugsgruppe. Überhaupt zu einer Gruppe zu gehören kann bereits ausreichen, um eine weitreichende Bereitschaft zu unterstützen auszulösen. Dieses externe Selbstverständnis führt zur Akzeptanz bestimmter Gegebenheiten und danach zu dem Streben nach Status in der Gruppe. Zeichen der Zugehörigkeit sind eine bestimmte Kleidung, Automarke oder Smartphones mit einem bekannten Logo.
  • Durch Zielinternalisierung fühlen sich Menschen motiviert etwas zu tun, wenn der Charakter und das Verhalten von Dritten dem eigenen Wertesystem entsprechen. Starke Ideale und Glaubenssätze sind die Grundlage, um die Begründungen der Anderen für sich zu übernehmen. Das Ergebnis ist ein starkes Pflichtgefühl gegenüber den gemeinsamen Zielen. Erkennbar wird dies bei den Demonstrationen der jüngeren Vergangenheit. Dabei nutzen Organisationen die Existenzängste von Bürgern, die verunsichert sind und sich vor Unbekanntem ängstigen. Die Flut von Flüchtlingen treibt diese dann in die Demonstrationen, die eigentlich andere Ziele verfolgen.

Auch wenn der Fotograf in dem Film verschiedene Aufträge erfüllt, zeigt er keine externen Einflüsse. Sein Drang besteht in der fotografischen Umsetzung seiner Ideen. Je nach Gelegenheit wechselt er spontan von dem einen Thema zum anderen.

Alle fünf Motivationsquellen sind in jedem Menschen vorhanden. Die Stärke der Ausprägung ist bei den einzelnen anders und das macht den Unterschied. Der Künstler ist durch sich selbst getrieben. Externe Einflüsse würden sein Grundkonzept und die spontane Inspiration stören. Im Extremfall würde dies seinen Einsatz ausbremsen. Aus diesem Grund sollten die Leute, die andere führen, sich stets klar machen mit wem sie es zu tun haben. Die Einen sollte man laufen lassen und von deren Ergebnissen profitieren. Die Anderen brauchen von Zeit zu Zeit einen externen Anstoß, um in Bewegung zu bleiben.

Fazit: Die Künstler sind der Prototyp für intrinsische Motivation. Sie brauchen keinen externen Auslöser, um aktiv zu werden. Sie sind zielsuchende, eigenständige Aktivisten, die weit mehr leisten, als sie müssten. Die schlechte Nachricht ist, dass sie nicht immer genau das vollbringen, was andere erwarten. Aus diesem Grund gelten die Kenngrößen der extrinsisch Motivierten hier nicht – Anwesenheitszeit, Ergebnisbeitrag, Folgsamkeit. Sie sind eher die Quelle für zusätzliche und neue Ergebnisse. Externe Motivationen reichen nicht, um einen derartig süchtig nach Arbeit zu machen, wie im Falle eines Künstlers.

Kooperative Metamorphose

Henry Ford hat das Fließband eingeführt. Beseelt vom Taylorismus bemühte er sich aber auch darum, alle Stufen der Wertschöpfung unter seine Kontrolle zu bringen. Zu diesem Zweck hatte sein Unternehmen für eine bestimmte Zeit einhundert Prozent Fertigungstiefe – Plantagen für Gummi, Glasfabriken, Stahlwerke und Kraftwerke für die erforderliche Energie. Durchschnittlich liegt die Fertigungstiefe in der Automobilindustrie heute bei ca. 20 Prozent. Tausende Zulieferer teilen sich drei Viertel des Wertes eines Autos, von einfachen Drehschaltern bis hin zu komplizierten Einspritz- oder Navigationssystemen.

Jetzt rächt sich zum ersten Mal diese Verringerung der Fertigungstiefe. Die kleinen Zulieferer haben Jahre gebraucht, aber jetzt scheinen sie auf Augenhöhe mit denen zu sein, die seit Jahren die Preise durch ihre Marktmacht bestimmen. Bei VW stehen die Bänder, weil sich der Einkauf offensichtlich verzockt hat. Stehen wir vor einer kooperativen Metamorphose zwischen Herstellern und Zulieferern?

Monopolist

Nachdem VW mit José Ignacio Lopéz die letzte Verwandlung eingeläutet und den Zulieferer eine neue Rolle gebracht hatte, wird VW nicht umhin kommen, ein Umdenken bezüglich der gegenseitigen Abhängigkeit von Herstellern und Lieferanten auf den Weg zu bringen. Der Stopp der Golf-Produktion in Wolfsburg, die voraussichtlich 20.000 Mitarbeiter Kurzarbeit bringt, ist der Weckruf für die gesamte Industrie. Die folgenden Mechanismen haben das harmonische Miteinander über die Jahre belastet.

  • Anpassung des Lieferantenportfolios
    Nachdem die internen Möglichkeiten zur Verbesserung schon alleine aufgrund der geringen Fertigungstiefe nur noch wenige Chancen für die Drosselung der Ausgaben boten, blieben den Herstellern nur noch die Senkung der Kosten, der nach außen delegierten 80 Prozent. In Ermangelung von monetären Anreizen konnte den Zulieferern nur noch das Privileg, im Kreis der Lieferanten aufgenommen zu sein, einen Vorteil bringen. Dies bedeutet, dass sie mitbieten können und manchmal den überkommenen Titel Haus- und Hoflieferant erhalten, als sogenannte strategische Lieferanten.
  • Neue Preismodelle
    Einen großen Stellhebel bieten nur noch die riesigen Mengen, die zu günstigen Konditionen und Preisen führen. Die großen Stückzahlen sind der Anreiz für die Lieferanten. Gleichzeitig erfordert die zeitnahe und variantenbezogene Anlieferung zusätzliche Ressourcen, die den Ertrag weiter schmälert.
  • Ausgereizte Zahlungsbedingungen
    Die Zahlungen sind nicht darauf ausgerichtet, dass die Zulieferer möglichst schnell ihr Geld erhalten, sondern sie orientieren sich an bilanziellen Berichtszeitpunkten. In der Folge trägt der Zulieferer den Aufwand der Finanzierung. Dabei reden wir bei der Beschaffung von Material unter Umständen von über sechs Monaten Vorfinanzierung. Bei Lieferung wird jedoch noch nicht bezahlt, sondern die Hersteller warten auch noch die vereinbarten Zahlungsziele von über drei Monaten ab, um schließlich ihre Schulden zu bezahlen. Die Überbrückung dieser Zeiträume muss der Lieferant vorhalten – neben den Rohstoffen, Löhne und Gehälter, die Lagerhaltung, den Betrieb der Infrastruktur usw.
  • Neue Verhandlungsformen
    Die persönlichen Verhandlungen unter vier Augen, die die Grundlage für vertrauensvolle Zusammenarbeit waren, sind abgelöst durch formale Ausschreibungen und elektronische Formen der Verhandlung. Der persönliche Kontakt wird aus den Geschäften entfernt. Dies führt ohne persönliche Eindrücke zu quasi-automatischen Entscheidungen auf Basis des Verhältnisses von Preis-Leistung und der allgemeinen Normen der Qualität.
  • Einseitige Kündigungen
    In vielen Einkaufsbereichen herrscht immer noch die Illusion am längeren Hebel zu sitzen, da es weltweit Unmengen an Lieferanten gibt, die bereit sind, zu geringeren Kosten zu liefern. Dies führt schnell dazu, dass ein Lieferant, der in Ungnade fällt, von jetzt auf nachher gekündigt wird.
  • Risikodelegierung an Zulieferer
    Die vorgelagerte Materialbeschaffung und die bereitgehaltenen Ressourcen erhöhen das Risiko einseitig zu Ungunsten der Zulieferer. Läuft ein Vertrag aus oder kündigt der Hersteller während der Laufzeit einseitig den Vertrag, kann das schnell in die Insolvenz führen.

Die Möglichkeiten die Beschaffungskosten zulasten der Zulieferer zu senken haben ihre Grenzen erreicht. Auch Zulieferer nutzen das Outsourcing in Billiglohnländer. In Anbetracht der engen Margen und der gegenseitigen Abhängigkeit müssen jetzt jedoch neue Modelle für die Zusammenarbeit gefunden werden. Der dafür notwendige Austausch von Informationen hat wechselseitig zu erfolgen und wieder auf Win-Win setzen. Dafür wird es in Zukunft unerlässlich, dass die Einkäufer mit den Zulieferern persönlich in Kontakt treten, sich Vor-Ort einen Eindruck verschaffen und so zu realistischen Einschätzungen kommen. Die hartnäckige Compliance, die vor allem im Interesse der Anteilseigner eingeführt wurde, hat den Missbrauch durch Einzelne nicht verhindert und schadet der Zusammenarbeit.

Fazit: Das Zusammenspiel zwischen Herstellern und Zulieferern muss auf eine neue Stufe des Vertrauens und des gemeinsamen Nutzens gehoben werden. Die Verteilung der Wertschöpfung benötigt eine Neuausrichtung in der Wirtschaft und sogar bei den Politikern, die sich jetzt für VW starkmachen, obwohl sie die prekäre Situation der Zulieferer seit Jahren stillschweigend aussitzen. Am Ende dieser Phase wird die Industrie gestärkt hervorgehen, da die aktuelle Schieflage ausgeglichen wird. Diese kooperative Metamorphose wird Hersteller und Zulieferer wieder stärker zusammenschweißen, da die Einen nicht ohne die Anderen können.