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Die Sache als solche

Die Beschreibung von Handlungen, Verhalten, Beziehungen, Abläufen, Systemen und Ähnlichem erscheint auf den ersten Blick einfach – aussuchen, beobachten, beschreiben, auslegen, mitteilen.

  • Das Ziel sollte klar beschrieben sein, damit die Beobachtungen das Gleiche betrachten.
  • Die Elemente der Beobachtung sollten vollständig gesammelt werden, damit die Vergleichbarkeit gewährleistet ist.
  • Alle Beobachtungen sollten in einer gemeinsamen Sprache beschrieben sein, um Mehrdeutigkeiten von vorneherein entgegenzuwirken.
  • Die Auslegung sollte auf Basis aller Beobachtungen erfolgen, d.h. erst nachdem alle Umfänge vorliegen.
  • Die Veröffentlichung der Ergebnisse sollte in der Sprache der Zielgruppe erfolgen, d.h. befreit von Fachjargon.

Diese Reihenfolge und das gemeinsame Verständnis der Sache als solche müssen allen Beteiligten vermittelt werden – vor allem die Beobachter brauchen vorab eine entsprechende Schulung.

Betrachtet werden Einzelpersonen, Gruppen, Rollen, Abläufe, zeitliche, geografische und virtuelle Räume, Medien, und alle ansonsten interessanten Beobachtungsgegenstände. In jedem Fall sind die folgenden Aspekte zu berücksichtigten.

  • Die Bestandteile der Sache als solche
    Einerseits sollte die Menge der Objekte der Beobachtung klar beschrieben sein – wer, wie viele, woher usw. Darüber hinaus verfügen die Bestandteile über eine Anzahl von beschreibenden Elementen, die durchgängig zu beschreiben sind, um die Vergleichbarkeit sicherzustellen. Erst diese Zusammenstellung der Bestandteile ermöglicht eine nützliche Beobachtung.
    So haben beispielsweise Personen einen Namen, einen Wohnort, bestimmte Interessen; Gruppen werden benannt und benötigen eine Auflistung der Gruppenmitglieder und weitere Eigenschaften, um sie zu unterscheiden; Abläufe bestehen aus einzelnen Schritten, die zusammen eine Leistung erbringen.
  • Die Beziehungen der Sache als solche
    Die Bestandteile stehen in ein- oder wechselseitigen Beziehungen zueinander – menschliche, gesellschaftliche, wirtschaftliche, technische, rechtliche, religiöse, oder sonstige Verbindungen. Sie erweitern die Erkenntnisse der Beobachtung entscheidend.
    Die Bestandteile stehen in Beziehung, indem sie kommunizieren, Geschäfte machen oder andere gemeinsame Interessen verfolgen. Abläufe liefern sich Ergebnisse, die im Zusammenspiel die Gesamtleistung des Ganzen ergeben. Die Teile einer Maschine versetzen sie in die Lage, eine bestimmte Leistung zu erbringen.
  • Die Veränderungen der Sache als solche
    Durch die Beziehungen der Bestandteile befinden sich die Gegebenheiten fortwährend im Fluss (Panta rhei). Diese Veränderungen sind eine wesentliche Eigenschaft der Sache als solche. Dabei ändern sich die Bestandteile und Beziehungen mehr oder weniger.
    Menschen entwickeln sich weiter, ändern ihren Lebensmittelpunkt, bilden über die Zeit neue Gruppen und sind an unterschiedlichen Arbeitsstellen tätig. Eine Maschine behält ihre Struktur überwiegend bei, wenn man von den Verbrauchsstoffen und dem Verschleiß absieht. Aus diesen Veränderungen lassen sich Aussagen über die Viabilität des Ganzen ableiten. Finden keine Veränderungen statt, ist das System wahrscheinlich tot.
  • Die Auslöser der Veränderungen
    Zum besseren Verständnis der Veränderungen sollten die Ursachen verstanden sein. Was bewirkt die Veränderungen? Woher kommen die Auslöser? Über welche Beziehungen erreichen die Auslöser die unterschiedlichen Bestandteile?
    Die vielen Trigger, die die Entwicklung von Menschen beeinflussen oder auf die Abläufe einwirken oder die Maschinen belasten, bieten Ansatzpunkte, um gewünschte Auswirkungen zu erzeugen oder unerwünschte Effekte zu vermeiden. Die Auslöser sind Einstiegspunkte für die Beeinflussung des Ganzen.
  • Die Begebenheiten der Sache als solche
    Die einzelnen Veränderungen und Auslöser sind schwer zu überschauen. Aus diesem Grund bündeln wir diese in Begebenheiten, die aus einer Sammlung von Bestandteilen, Beziehungen, Veränderungen und Auslösern bestehen. Eine allgemeine Gliederung ist beispielsweise der stets bestehende Lebenszyklus – werden, reifen, nutzen, vergehen.
    Begebenheiten umfassen nicht nur die dokumentierten Inhalte, sondern erzeugen im Kopf der Betrachter weitere Erkenntnisse, die sich aus deren Erfahrungen ergeben – die Ausbildung, die Gründung einer Familie, der Jahresabschluss der Firma, die Wartung einer Maschine. Am Ende werden sie zu einer Sache als solche.
  • Die Bedeutung der Sache als solche
    Zusammen ergeben die vielen Aspekte der Sache als solche eine Bedeutung für uns und für andere – Welche Einflüsse gehen von hier aus? Was ist der übergeordnete Zweck? Welche Wichtigkeit hat die Sache als solche für verschiedene Personen und Gruppen?
    Die Gesamtheit aller Sachen als solche ergeben die Wirklichkeit, die uns umgibt – die Gesellschaft, die Wirtschaft, die Kultur und deren Zusammenspiel. Je nach Aufgabenstellung betrachten wir sie auf unterschiedlichen Ebenen, um Ansätze zum Handeln zu finden.

Fazit: Die Sache als solche ist das zentrale Element bei der Aufgabenerfüllung. Dabei kann es sich um einzelne Personen, Gruppen oder abstrakte Systeme handeln, die eine bestimmte Lösung erfordern. In jedem Fall ist es dabei vorteilhaft, die obigen Aspekte zu betrachten: die Bestandteile, Beziehungen, Veränderungen, Auslöser, Begebenheiten und vor allem die resultierende Bedeutung. Die Beobachtung, die die obigen Fragen nicht beantworten kann, ist stets kritisch zu hinterfragen, da die Einsichten sich aus dem Zusammenspiel von vielen Aspekten ergeben – vor allem den obigen Punkten der Sache als solche.

Wir erkennen nur, was wir erkennen

Für alle, die Chinesisch, Kyrillisch, Thailändisch, Arabisch oder Keilschrift und Hieroglyphen nicht beherrschen, handelt es sich bei fremdsprachigen Schriftstücken um eine Ansammlung von Linien und Formen, die möglicherweise etwas bedeuten, aber ihren Inhalt nicht preisgeben. Bisher sind nur Schriften bekannt, die ca. sechstausend Jahre alt sind. Zwischenzeitlich hat Genevieve von Petzinger zweiunddreißig Zeichen in Steinzeithöhlen überall auf der Welt gefunden. Zweiunddreißig insgesamt. Und wir erkennen das, was wir immer erkennen (s. Abbildung). Das Besondere dieser Zeichen ist die Tatsache, dass es sich immer wieder um die gleichen Zeichen handelt, die vor bis zu vierzigtausend Jahren in jedem Winkel der Welt ‚aufgeschrieben‘ wurden. Und wir haben keine Chance herauszufinden, was sie bedeuten.

Wir finden in den Schriftarten unserer Computer immer noch diese Zeichen (×, Ο, ↑, ∇, #, ∼, ♥, ω, —). Da wir nur das erkennen, was wir erkennen, schauen wir mal hin, was es zu sehen gibt.

  • Linien
    Es finden sich gerade, abgerundete und gezackte, mal durchgezogene und mal punktierte Linien. Vielleicht steckt in unserer heutigen Wahrnehmung noch das Erbe dieser Höhlen-Graffiti – waagerecht vermittelt eine Linie Ruhe; senkrecht erweckt die Linie Dynamik; geknickte Linien wirken energiegeladen; gebogene Linien übertragen Spannung; Wellenlinien deuten auf Schlangen hin oder Wasser. Aus Linien werden im folgenden Formen und Zeichen erzeugt.
  • Formen
    Man erkennt Grundformen, die uns geläufig sind – Kreis, Rechteck und Dreieck. Der Kreis wirkt ausgeglichen ohne Anfang und Ende. Das Rechteck vermittelt einen stabilen Eindruck. Es schafft klare Grenzen und Ordnung. Das Dreieck steht auf seiner Spitze und suggeriert Dynamik und weist vielleicht auf Weiblichkeit hin.
  • Zeichen
    Einige scheinen Zeichen für etwas zu sein – Doppelkreuz, liegendes Klammerzeichen, Doppelpfeil, positive und negative Hände, Herz, Hashtag, Spirale, usw. Was diese Symbole repräsentierten, werden wir nie erfahren. So könnten die Hände beispielsweise eine Art Unterschrift sein oder Ich-war-hier. Könnte die herzförmige Form ein Herz darstellen oder ist das unwahrscheinlich? Mich interessiert, wofür das Hashtag (#) stehen könnte.
  • Kontext
    Am klarsten scheint der Kontext zu sein – eine Höhle. Aber warum hier? Im Dunkeln. Es sind die Steinzeithöhlen, in denen sich die Forschung bisher mit den abgebildeten Tieren, Menschen und Alltagsszenen beschäftigte. Hier finden sich am Rand und in den Zugängen immer wieder diese Zeichen. Überraschend ist die Tatsache, dass es nur zweiunddreißig sind, die auf der ganzen Welt genutzt wurden – genau genommen seit vierzigtausend Jahren bis heute. Die Tatsache, dass sie im Umfeld der Wandmalereien gefunden wurden, spricht dafür, dass sie in diesem Kontext einen besonderen Zweck erfüllten.
  • Ohne Bedeutung
    Diese Zeichen könnten Alles und Nichts bedeuten. Vielleicht handelt es sich um kollaterale Flecken, die bei der Durchführung eines Rituals übrig geblieben sind. Andererseits könnte es sich um abstrakte Abbildungen von mentalen Bildern oder theoretischen Konzepten handeln. Oder um die vereinfachte Darstellung der damaligen Fauna und Flora. Spannend wäre es festzustellen, ob es sich bei den Abbildungen, um Kunstwerke handelt, die über eine lange Zeit aufgefrischt oder erneuert wurden, so wie es die Aborigines in Australien bis heute praktizieren.

Fazit: Es ist Genevieve von Petzinger zu danken, dass wir heute nicht nur auf diese Linien, Formen und Zeichen von vor bis zu vierzigtausend Jahren aufmerksam wurden, sondern dass sie auch die Ähnlichkeiten zwischen den weltweit verstreuten Höhlenzeichen erkannte und strukturiert aufbereitet hat. Ich frage mich, ob diese Grundformen, die heute noch von uns genutzt werden, ihre Bedeutung über die Jahrtausende gerettet haben. Wir können nur spekulieren, denn: Wir erkennen nur, was wir erkennen – die ursprüngliche Bedeutung haben die Künstler vor vielen Jahrtausenden mit ins Grab genommen.