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Teilen funktioniert nur, wenn alle langfristig etwas davon haben

Die Produktivität einer Gesellschaft ist nicht nur bestimmt durch die Umsätze des Wirtschaftsbereichs, sondern auch durch den Grad der gegenseitigen privaten Unterstützung, z.B. in Form von Teilen. Seit Urzeiten schaffen Menschen durch gemeinsame Anstrengung Ergebnisse, die sie alleine nicht leisten könnten. Der Bau von Häusern, das Roden von Wäldern oder das Graben von Brunnen erforderte das Zusammenwirken von Vielen. Heute setzen Vereine neue Non-Profit-Modelle um, die auf Gemeinsinn aufbauen, z.B.

  • Booksharing
    In Metropolen finden sich Bücherschränke, die in U-Bahn-Stationen, umgebauten Telefonzellen oder anderen öffentlichen Orten Interessierten die Möglichkeit bieten, Bücher zu tauschen. Die Einen stellen sie dort hin und andere nehmen sie mit – kostenlos. http://de.wikipedia.org/wiki/%C3%96ffentlicher_B%C3%BCcherschrank
  • Tafeln
    Die steigende Anzahl von gemeinnützigen Hilfsgruppen, die Obst, Gemüse und andere Lebensmittel sammeln, die ansonsten vernichtet würden, helfen mittellosen Mitbürgern, um über die Runden zu kommen. http://de.wikipedia.org/wiki/Tafel_%28Organisation%29
  • Repair Cafés
    Der neue Trend der Selbsthilfewerkstätten, in denen sich Leute gegenseitig bei der Ausbesserung von Geräten helfen, vermeidet Neuanschaffungen und verlängert das „Leben“ eines elektronischen Gerätes erheblich. http://de.wikipedia.org/wiki/Repair_Caf%C3%A9

Diese Trends tragen auf neue Weise zum Wohl der Gesellschaft bei. Gleichzeitig entstehen Strömungen, die diese Entwicklungen für eigene Zwecke ausnutzen. Teilen funktioniert aber nur, wenn alle Beteiligten langfristig etwas davon haben.

Teilen

Teilen ist ein Geben und Nehmen, das außerhalb der rechtlichen Schranken der Wirtschaft angesiedelt ist. Damit befindet es sich in einem ungeregelten Freiraum, der eigentlich nicht für Gewerbe vorgesehen ist. Im Rahmen von staatlichem „Gemeinsinn“ und der neuen Ethik des Teilens sowie unter Ausnutzung der neuen Möglichkeiten des Crowdsourcings entwickeln sich neue Ideen. Diese verschaffen durch die Nutzung von kostenlosen Beiträgen, die Freiwillige erstellen, einer kleinen Gruppe Vorteile, die sie ansonsten bezahlen müssten.

  • Staatlicher „Gemeinsinn“
    Die öffentlichen Kassen sind nicht in der Lage allen ihren Pflichten nachzukommen. Neben den öffentlich-privaten Partnerschaften übertragen staatliche Institutionen ihre Aufgaben immer öfter an die Bürger. Freiwillige übernehmen heute in geschätzten 70.000 bis 100.000 Selbsthilfegruppen in Deutschland Aufgaben in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Gesellschaft, die eigentlich der Staat erbringen müsste. Diese Verschiebung der Verantwortung erfolgt unter Beibehaltung der hohen sozialen Abgaben bei immer weniger Leistungen.
  • Neue Ethik des Teilens
    Etablierte Branchen müssen sich mit Rivalen auseinandersetzen, die sich neue Ideen auf Basis des Internets einfallen lassen. Beispiele sind die Mitfahrzentralen und andere private Fahrdienste. Sie bringen Reisende und „Transporteure“ zusammen. Diese Angebote unterliegen nicht den Auflagen des Transportgewerbes (z.B. Fahrerlizenzen, Fahrzeugstandards oder Versicherungen). Oder denken wir an die Vermittler, die in den Großstädten der Welt Wohnungen anbieten ohne Teil des Hotelgewerbes und seiner Regelungen (z.B. Hygiene, spezielle Infrastruktur, Meldepflicht) zu sein. Die günstigen Preise schaffen Akzeptanz bei den Kunden, gefährden aber die angestammten Unternehmen durch den unfairen Wettbewerb.
  • Crowdsourcing
    Alle sind im Internet nur einen Klick voneinander entfernt. Dies macht es möglich, dass jeder seinen „kleinen“ Beitrag leisten kann, wie in den folgenden drei Beispielen. 1) Die Artikel in der Wikipedia werden von Millionen Autoren kostenlos erzeugt und aktuell gehalten. Dies hat die gedruckten Lexika vom Markt verdrängt. 2) Früher wurden Projekte durch Banken oder Mäzene finanziert. Heute erschließt das Crowdfunding neue Geldquellen. So kann über Pledge eine Musikproduktion mit kleinen Spenden der Fans finanziert werden. 3) Besonders bemerkenswert ist der Ansatz von Open Innovation. Hierbei beteiligen sich Einzelpersonen an der Suche nach Informationen oder der Entwicklung von neuen Produkten, die in der Folge von den Unternehmen umgesetzt werden.
    Der jeweilige Betrieb spart dadurch interne Kapazitäten und Ausgaben für externe Spezialisten. Die beteiligten „Ideenbringer“ erhalten im besten Fall einen kleinen Gewinn oder andere Vorteile. Im gleichen Moment verzichten sie jedoch auf die Rechte der Ergebnisse, die beim Unternehmen verbleiben. Diese Ansätze erschließen neue Ressourcen auf dem Rücken von Freiwilligen und vernichten wertvolle Arbeitsplätze.

Dies sind keine Beispiele für solidarisches Teilen, da einzelne Gruppierungen sich wirtschaftliche Vorteile aus dem Gemeinsinn der Menschen verschaffen.
Sobald Politiker Aufgaben an die Gesellschaft übertragen, in dem sie die staatlichen Institutionen von ihren eigentlichen Rollen befreien, ist es Zeit über das steuerliche System nachzudenken. Ist es nicht bedenklich, dass bei bei sinkenden staatlichen Leistungen, zusätzliche Abgaben eingeführt werden? Die dann aus nachvollziehbaren Gründen auch nicht mehr Steuern heißen, sondern Maut, Soli, Riester, Deckung der Versorgungslücke.
Sollten die Bedingungen für das gewerbliche Teilen nicht klar festgelegt sein? Warum gibt man den Unternehmern die Gelegenheit auf dem Rücken der Allgemeinheit Geschäfte zu machen, ohne sich an die eingeführten Regeln der jeweiligen Branche halten zu müssen? Die Freiwilligen und die etablierten Gewerbe sollten besser geregelt werden.
Schließlich müssen die Urheber der Ideen im Rahmen der Open Innovation so geschützt werden, dass sie an dem Erfolg ihrer Ideen partizipieren.

Fazit: Neue Formen des Teilens nutzen die Freiwilligen aus und erzeugen Vorteile für die profitierenden Unternehmen. Diese Märkte sind nicht nachhaltig, da einerseits in kurzer Zeit Regelungen diese Geschäfte erreichen werden. Andererseits werden sich die Freiwilligen nicht langfristig ausbeuten lassen, denn es gilt: Teilen funktioniert nur, wenn alle langfristig etwas davon haben.

Teilen mit Anderen – darf man das eigentlich?

Teilen bedeutet, etwas, das einem gehört, ganz oder in Teilen Anderen zu überlassen oder zu verleihen. Verbrauchsgüter, die nicht aufgebraucht wurden, werden dadurch noch genutzt (z.B. Waren mit Verfallsdatum). Gebrauchsgüter werden dadurch besser ausgelastet (z.B. Carsharing). Immaterielle Güter, wie Wissen, steigern durch die vermehrte Nutzung ihren Wert und die Verbreitung. Eine wichtige Voraussetzung für das Teilen sind Besitzer, die bereit sind, ihr Gut Anderen zur Verfügung zu stellen. Teilen mit Anderen – Darf man das eigentlich?

sharing

Grundsätzlich sollten eigentlich die Besitzer von Gütern das Recht haben, frei darüber verfügen können. Trotzdem sind mit dem Besitz auch immer Verpflichtungen verbunden.

  • Nahrungsmittel dürfen nicht geteilt werden, wenn sie ein Verbrauchdatum „zu verbrauchen bis …“ haben sowie z.B. roher Fisch, Gehacktes, rohe Eierspeisen, bei denen eine durchgängige Kühlkette nicht nachweisbar ist (http://foodsharing.de/lebensmittelrecht ). Lebensmittel, auf denen steht „mindestens haltbar bis …“ können auch nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums geteilt werden.
  • Zu den Gebrauchsgütern zählen Autos, Fahrräder, Wohnungen und Geräte aller Art. Bei manchen Gütern bestehen jedoch rechtliche Aspekte, die das Teilen beschränken. So hat das Auto eine Versicherung, die an die Nutzung durch bestimmte Fahrer gebunden ist oder die gewerbliche Nutzung ausschließt. Dies gilt auch, wenn man seine Mietwohnung mit anderen teilt, ohne die Erlaubnis untervermieten zu dürfen. Bei allen Gütern bleibt auch die Frage der Haftung, wenn beispielsweise die Bremsen des Fahrzeugs defekt sind.
  • Seit es Wissen gibt, wird es auch geteilt, z.B. die Zeitung oder das Buch, die von Hand zu Hand gereicht werden oder der neuste Hit von Lady Gaga. Solange es sich um ein physisches Gut handelt, sollte das Teilen problemlos sein. Sobald jedoch ‚nur‘ der Inhalt geteilt wird, indem er kopiert wird, befinden wir uns bereits bei Copyrightfragen. Nicht zu vergessen, die geheimen Akten, die Whistleblower mit der Öffentlichkeit teilen. Dazu gehören bereits belanglose Geschäftsunterlagen, die mit Bekannten geteilt werden.
  • Eine beliebte Form ist es Arbeit zu teilen. Dabei stellt sich sehr schnell die Frage der Schwarzarbeit sowie der Haftung bzw. Schadensregulierung. Verletzt sich jemand, kommt jemand zu Tode oder entsteht ein materieller Schaden im Zuge eines solchen Teilens, so sind diese Vorfälle normalerweise nicht durch private Versicherungen abgedeckt.

Nichts ist seliger, als zu geben. Einige Fragen gelten für alle Formen des Teilens.

  • Kann Teilen einen Preis haben?
  • Dürfen geteilte Lebensmittel oder die Nutzung eines Autos oder das Verleihen von Büchern oder das Betonieren des Kellers Geld kosten?
  • Wie ist dieser Geldfluss aus steuerlicher Sicht zu sehen (Stichwort: geldwerter Vorteil)?
  • Bildet sich hier eine weitere Nische, in der neue Geschäftsmodelle bestehende bürokratische Regeln sowie die Rechte und Pflichten etablierter Geschäfte umgehen?

Wenn wir uns wieder in Richtung Markt und Tauschgeschäfte entwickeln, sollten die rechtlichen Rahmenbedingungen Geber und Nehmer gleichermaßen schützen.

Fazit: Zu allen Zeiten gab es das soziale Teilen. Daher kommt auch die positive Sicht auf diese Form der optimierten Nutzung von Ressourcen. Wir brauchen entsprechende rechtliche Rahmenbedingungen, damit sich die Teilenden, die Geber und Nehmer, bei dieser neuen Form des gesellschaftlichen Austauschs nicht kriminalisieren.