Es ist unglaublich, dass wir pro Tag 20.000 Entscheidungen treffen. Bei sechzehn Stunden, die wir täglich wach verbringen, sind das etwa 20 Entscheidungen pro Minute. In der letzten Minute haben Sie vielleicht entschieden:
- Ihr IT-Gerät zu öffnen,
- zwischen E-Mail und sozialen Medien auszuwählen,
- beim Überfliegen einen Link einem anderen vorzuziehen,
- in der Themenübersicht den Titel Entscheidung reloaded einer Forbes-Liste 2021 vorzuziehen,
- diesen Beitrag zu öffnen,
- den ersten Absatz zu überspringen,
- das Bild zu betrachten,
- zum Anfang des Beitrags zurückzugehen,
- zu glauben oder nicht, dass wir 20.000 Entscheidungen pro Tag treffen,
- mit dieser Annahme weiterzulesen,
- zu glauben, dass das 20 Entscheidungen pro Minute sind,
- auf dieser Grundlage erstmal weiterzulesen,
- das klingelnde Telefon zu ignorieren,
- einen Blick auf den Rest des Artikels zu werfen,
- aufgrund der auffälligen Schlagworte weiterzulesen,
- ihre vorherige Tätigkeit zu verzögern,
- trotz dieser Liste weiterzulesen,
- zu verstehen, dass Entscheidungen für Sie ein wichtiger Bestandteil sind, wenn auch nicht 20-mal pro Minute,
- das Thema für sich zu nutzen,
- anzuerkennen, dass in der vergangenen Minute tatsächlich 20 Entscheidungen stattgefunden haben.
Es ist sehr wahrscheinlich, dass Ihnen ähnliche Abwägungen in der vergangenen Minute durch den Kopf gegangen sind – überwiegend unbewusst. Bei einer so häufigen Tätigkeit macht es Sinn, unser Verständnis bezüglich dem Entscheiden aufzufrischen.
Das Hauptgewicht dieses Posts liegt jedoch nicht bei den kleinen Entschlüssen, die wir fortwährend unbewusst treffen, sondern wir wenden uns den großen zu, die weitreichende Auswirkungen haben und bewusst getroffen werden. Hierfür betrachten wir den Zeitraum und die Bestandteile einer Entscheidung, die Alternativen, die Wirkungsdauer und die Verantwortenden.
- Entscheiden – ein Akt oder doch eher ein Ablauf?
Der Schlag mit dem Hammer eines Richters oder Auktionators ist der Moment, indem eine Entscheidung abgeschlossen wird. Durch diesen offiziellen Akt eines Bevollmächtigten tritt eine Entscheidung in Kraft oder wird eine abschließende Wahl getroffen. Der Entscheidungsprozess braucht Zeit, um die Bestandteile zu erarbeiten, gegeneinander abzuwiegen, mit einem verbindlichen Akt festzulegen und im Nachgang die Auswirkungen zu bewerten.
Abhängig vom Führungsstil, (de)zentralisiert Top-Down vs. Bottom-Up befriedigen die Führenden ihr persönliches Mindset. Die ablauforientierten Entscheidungen, die die Betroffenen zu Beteiligten und die Umsetzung dadurch wahrscheinlicher machen sollen, sind die viableren. - Der Moment der Entscheidung
Der „richtige“ Moment ist eine Glaubensfrage. Es gibt die Reaktiven, die Entscheidungen so spät wie möglich, wenn überhaupt, treffen – Es bleibt uns nichts mehr übrig, als die Situation zu bereinigen. Dann gibt es die Aktiven, die die Ärmel hochkrempeln und eine Schwierigkeit unmittelbar lösen – Wo ist das Problem? Was können wir tun? Wir machen es so. Dann gibt es noch die Pro-Aktiven, die mit einem weitreichenden Radar versuchen, Schwierigkeiten vorherzusehen und vorbeugend zu entscheiden – Wir untersuchen diese Entwicklungen und stellen sicher, dass nichts Unvorhergesehenes passiert. Und abschließend die passiven Entscheider (was für ein Oxymoron), die der Illusion folgen, dass indem sie eine Entscheidung vermeiden, sie nicht entscheiden würden – Wir haben uns nach langen Verhandlungen geeinigt, dass wir unbedingt darüber nachdenken sollten, wann wir uns treffen könnten, um zu besprechen, wie wir weitermachen. Den einen richtigen Moment gibt es nicht, um zu entscheidenden, was beschlossen werden muss/soll/kann. Die späte Entscheidung verfügt über mehr Informationen, aber es treten bereits Folgeprobleme auf. Der zeitnahe Entscheid ist die letzte Chance, um die Folgen zu verhindern. Den Pro-Aktiven fehlen Informationen und sie beschäftigen sich unter Umständen mit Hemmnissen, die nie eintreten. Wichtig ist, dass überhaupt entschieden wird. - Bestandteile einer Entscheidung
Eine Entscheidung auf eine Handlung zu reduzieren wird ihrer Komplexität nicht gerecht. Es ist das Zusammenspiel von mehreren Aspekten, die zusammen eine Entscheidung ausmachen. Es beginnt bei den Auslösern, die den Entscheidungsdruck bestimmen – z.B. Termine, Gefahr im Verzug, Forderungen der Stakeholder. Häufig ergeben sich mehrere Ziele, die miteinander in Einklang gebracht werden müssen. Erschwert wird die Lösungssuche durch fehlende Information über die Vergangenheit, Gegenwart und vor allem die Zukunft. Da es immer viele Möglichkeiten gibt, aus denen ausgewählt werden muss, sollten mindestens drei ausgearbeitet werden. Um Überraschungen und unbeabsichtigte Folgen zu vermeiden, müssen mögliche Auswirkungen vorweggenommen werden, z.B. durch entsprechende Szenarien, in denen die Alternativen „getestet“ werden. Um die Rolle der Entscheidenden zu klären, brauchen sie beschriebene Aufgaben, Kompetenzen im Sinne von Befugnissen und eine fest umrissene Verantwortung, die die Konsequenzen für die Entscheidenden festlegt. Diese Bestandteile erfordern Zeit, d.h. den Entscheidungsprozess. - Entscheidungsalternativen
Die Anzahl und die Spanne der Möglichkeiten sind ein wesentlicher Aspekt bei der Entscheidungsfindung. Denken wir an unausweichliche Entscheidungen, bei denen wir glauben, keine Wahl zu haben, obwohl immer die Wahl zwischen einer oder keiner Aktion bleibt. Dies bedeutet, dass wir immer mindestens zwei Wahlmöglichkeiten haben – auch wenn nichts tun immer die schlechtere Alternative ist.
Erfahrene Führungskräfte wissen, dass es immer mindestens drei Optionen gibt, die den vorhandenen Raum der Möglichkeiten voll ausschöpfen müssen. - Halbwertszeit von Entscheidungen
Stellen wir uns vor, wir ständen auf einem Balkon. In der Wohnung neben uns lodert eine Feuersbrunst. Wir können aus Angst vor dem Sprung auf dem Balkon ausharren – und verbrennen. Oder wir springen aus dem zweiten Stock nach unten – im schlimmsten Fall brechen wir uns den Hals. Weniger Entscheidungsfreudige werden sagen, es ist egal, wofür sie sich entscheiden. Allerdings besteht bei dem Sprung eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass man überlebt. Die NOTWENDIGE Entscheidung hat in jedem Fall eine unendliche Halbwertszeit. Entweder landen Sie sofort in der ewigen Ruhe oder Sie leben weiter, als wäre nichts geschehen. Bei allen anderen Entscheidungen, die keine endgültigen Konsequenzen haben, können Sie jederzeit Ihre Entscheidung nachträglich wieder revidieren.
Der Handlungsbedarf steigt entsprechend der Wichtigkeit und der Dringlichkeit. Je mehr Betroffene, je größer die Reichweite, je beständiger die Folgen und je größer die Kosten, umso besser müssen Sie die Entscheidungen vorbereiten und abwägen. - Wer entscheidet?
Einer Entscheidung ist bereits eine andere Wesentliche vorausgegangen – Wer entscheidet? Die Wahl der Entscheidenden obliegt den Auftraggebenden – z.B. ein Steuerkreis oder die Abnehmenden. Und davor stellt sich die Frage, wer diesen Kreis wählt. Und so weiter. Zuständige, die sich nicht mit der Verantwortung belasten wollen, fordern eine öffentliche Entscheidungsfindung und delegieren damit die Zuständigkeit und die Folgen an die Mehrheit. Nach dem Highlander-Prinzip (Es kann nur einen geben) sollte jedoch eine konkrete Person entscheiden, da ansonsten die klare Verantwortlichkeit fehlt. Niemand entscheidet, wenn mehrere entscheiden. Die kollektive Schuld trifft in diesem Fall alle und damit niemand.
Die klare Beauftragung einer Person erhöht die Güte einer Entscheidung.
Fazit: Bisher hing vom Entscheiden auch das persönliche Einkommen ab, weil Entscheidungsträger bisher auf Führungsebenen angesiedelt waren. Im Zuge von Theorie Y, Agilität und Servant Leadership werden die abgehobenen Führenden obsolet. Sie werden durch die Mitarbeiter vor Ort ersetzt. Allerdings ändert das nichts an dem Entscheidungsprozess, der Wahl des Moments, den Bausteinen, dem Bedarf an Alternativen, der Halbwertszeit und trotz Entscheidenden auf allen Ebenen, der klaren Beauftragung. Neben der Handlung ist das Entscheiden das wichtigste Element des Geschäftslebens und die letzte Zuflucht für die Führungskräfte, die mit den heutigen Zusammenarbeitsmodellen obsolet werden.