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Falsch verstandene Ich-Botschaft

In unserem tiefsten Inneren sind wir alle erfahrene Kommunikatoren, da wir tagtäglich den Umgang mit Anderen pflegen. Bereits bevor wir geboren werden, stehen wir mit unserer Umwelt im Austausch. Nach der Geburt kommen mit der Zeit Worte, Gesten und Intonation hinzu. Trotz dieser langen Praxis tun wir uns oft schwer den richtigen Ton und die richtige Körperhaltung zu finden – ganz zu schweigen von den richtigen Worten. Im Gegenteil. Wir, vor allem in der westlichen Welt, sind darauf eingestellt, jede Auseinandersetzung mit entsprechenden Aussagen negativ zu verschärfen. Die sich ergebende Abwärtsspirale dreht sich solange, bis sich ein Teilnehmer dem weiteren Diskurs verweigert. Ein wirksames Instrument zur Unterbrechung dieses Teufelskreises sind die Ich-Botschaften, die leider oft falsch verstanden werden.

Mit Ich-Botschaften vermittelt der Sender den Empfängern seine tatsächlichen Bedürfnisse und Gefühle, ohne den Empfänger mit Vorwürfen in die Defensive zu zwingen. Dies verhindert den Reflex, sich verteidigen zu müssen. Die Ich-Botschaft besteht aus den folgenden Elementen.

  • Die eigene Befindlichkeit ausdrücken
    Persönliche Aussagen drehen sich in der Ich-Botschaft um die eigene Befindlichkeit. Die vier Seiten einer Botschaft nennen diese Aussagen Selbstkundgabe. Es werden dabei Fakten zu einem selbst sowie eigene Gedanken und Gefühle mitgeteilt. Diese können durchaus von den Personen, die beteiligt sind, ausgelöst worden sein. Der Bezug wird jedoch nicht durch einen Vorwurf hergestellt. Vielmehr werden die Gefühle ausgedrückt, die sich aus dem Verhalten oder den Aussagen der Anderen ergeben.
    Beispiel: „Ich bin frustriert, dass ich mich noch nicht verständlich machen konnte.“
  • Negative Bewertungen vermeiden
    Der schnellste Weg in einen Konflikt ist die Abwertung der Anderen. Dies beginnt mit einem geringschätzigen Tonfall, geht über Spott, hin zu negativen Kommentaren und respektloser Kritik. Geringschätzung, egal in welcher Form, belastet jede Beziehung. Diese Du-Botschaften sind Terroranschläge auf die Psyche des jeweiligen Opfers. Manche verstecken diese in Botschaften, die mit „Ich“ losgehen. Darum ist darauf zu achten, dass man keine negativen Urteile und Bewertungen der anderen Person in die Ich-Botschaften einbaut. Schließlich hätte der Gegenüber keine Chance, die ungeschickte Ich-Botschaft ohne Zwang zur Verteidigung, anzunehmen.
    Beispiel: „Es fällt mir schwer, meinen Teil der Arbeit pünktlich abzuliefern, sobald Du unvorhergesehen fehlst“.
  • Keine Schuldzuweisung formulieren
    Die Steigerung der negativen Bewertung sind Schuldzuweisungen. Der Normalfall ist, dass etwas nicht so klappt, wie es ursprünglich geplant war. In diesem Fall sind meistens externe und interne Einflüsse daran beteiligt. Die Aufgabe ist es, diese Schwierigkeiten zu erkennen und gemeinsam zu lösen. In dem Moment, wo es zu Schuldzuweisungen kommt, gibt die jeweilige Person vielleicht auf und möchte nur noch jeglichen Schaden von sich fernhalten. Dabei stecken die Ursachen immer in den Umständen und nicht in den beteiligten Personen. Eine Ich-Botschaft kann das wechselseitige Beschuldigen im Keim ersticken.
    Beispiel: „Ich bin unglücklich, dass ich dieses Problem nicht früher gesehen und darauf reagiert habe.“
  • Beziehung erhalten
    Eine wichtige Funktion der Ich-Botschaft ist die Erhaltung der bestehenden Beziehung. Durch Aggressivität wird das geschäftliche und private Verhältnis mit der anderen Person aufs Spiel gesetzt. Das Infragestellen der Beziehung ist riskant. Manchmal führt das allgemeine Lamentieren über die Vertragsverhältnisse oder bezüglich eines nicht greifbaren Problems zu einer Belastung der Beziehung. Ein guter Ausweg ist es, ab und zu die Zufriedenheit bezüglich der guten Zusammenarbeit anzusprechen, um so die positive Atmosphäre aufzufrischen.
    Beispiel: „Ich freue mich, dass wir es gemeinsam soweit gebracht haben.“
  • Klare Botschaften senden
    Unnötiger Ballast im Diskurs sind mehrdeutige Aussagen, die positiv und negativ ausgelegt werden können. Gemeinsame Inhalte haben bis zum finalen Wording häufig einen langen Weg zurückgelegt. Es sollte eigentlich alles klar sein. Trotzdem schleichen sich immer wieder inhaltliche Misstöne ein. Zur Vermeidung ist es sinnvoll bestimmte Sachverhalte immer wieder anzusprechen und dabei zu prüfen, ob das gemeinsame Verständnis noch besteht.
    Beispiel: „Für mich ist unser Ziel die Lösung dieses Problems.“

Fazit: Die Ich-Botschaft ist eines der wichtigsten Ausdrucksmittel. Dabei handelt es sich um Aussagen, die nicht nur mit „Ich“ beginnen. Es ist vielmehr eine positive Ich-Aussage, die die negative Eskalation der Gefühle bei den Beteiligten verhindert, beispielsweise während einer Diskussion oder eines Gesprächs. Die Grundlage bilden der Ausdruck der eigenen Befindlichkeit, die Vermeidung von negativen Bewertungen und Schuldzuweisungen, klare Botschaften sowie Aussagen, die die Beziehung erhalten. Dieser deeskalierende Kommunikationsstil erhält ein akzeptables Gesprächsklima sowie das Commitment der Beteiligten.

Die Sackgasse externer Bewertungen

Die Güte von Produkten und Services steckt in den erzeugten Leistungen und im Auge des Konsumenten, nicht in den externen Bewertungen. Und immer weniger Leute vertrauen ihrer eigenen Wahrnehmung. In der Folge werden Dinge gekauft und konsumiert, die von Anderen gelobt, von sogenannten neutralen Institutionen empfohlen oder mit einem entsprechenden Gütesiegel versehen werden. Die Unternehmen orientieren sich an den Kriterien der Bewertungen und sparen sich ein eigenes Qualitätsverständnis. Es spricht viel für die Nutzung allgemeiner Kriterien zur Bewertung von Leistungen. Es ist jedoch langfristig fatal seine persönlichen Qualitätsansprüche zugunsten externer Kriterien, die von allen genutzt werden, aufzugeben. Die Kunden kaufen kein Gütesiegel, sondern gute Produkte und Dienstleistungen. Sollte der interne Maßstab nur noch aus der Erfüllung der externen Gütekriterien bestehen, dann befindet man sich in der Sackgasse externer Bewertungen.

Die folgenden Punkte betrachten diesen Trend.

  • Bewertet wird nur, was bewertet wird
    Im Rahmen einer Zertifizierung betrachten die Verantwortlichen eine bestimmte Anzahl sachlich messbarer oder persönlich ausgedrückter Merkmale, z.B. der erhobene Schadstoffausstoß von Fahrzeugen oder die Kundenzufriedenheit. Der vorbereitete Kriterienkatalog soll dabei die Vergleichbarkeit aller Größen sicherstellen. Wie beim Allergietest können damit aber immer nur die Sachverhalte untersucht werden, die geprüft werden. Alle anderen Aspekte liegen außerhalb der Untersuchung und haben damit keine Bedeutung. Dadurch wird es mit der Zeit immer schwieriger in Bereichen zu investieren, die nicht explizit untersucht werden. In der Folge wird bei sekundären Bestandteilen der Leistungen, wie z.B. den Bedienelementen, den unsichtbaren Bauelementen, der Anzahl der Servicetelefone, den Mitarbeitern, immer weniger in die Qualität investiert.
  • Beurteilungskriterien zeigen nicht alles
    Sobald es sich um schwer greifbare Messpunkte handelt, wird die Bewertung durch die Beteiligten beeinflusst. Auf der einen Seite verfälscht der Fragesteller die ermittelten Sachverhalte durch die Art Fragen zu stellen und durch seine Vorannahmen bezüglich der Zielgruppe. Und damit sind die internationalen Unterschiede des Settings bei einer Zertifizierung noch nicht berücksichtigt. Auf der anderen Seite bestimmen die Teilnehmer der Zertifizierung mit ihren Antworten das Ergebnis. Auch hier verzerren die persönlichen Einstellungen und Fähigkeiten die Resultate. Sogar bei der Messung von objektiven Daten werden die Ergebnisse durch das Messszenario verzerrt, wie man bei dem Schadstoffausstoß von Autos lernen musste. Damit bietet die beste Zertifizierung immer nur ein unvollständiges Bild.
  • Wenige sachliche Messpunkte
    Die größte Schwierigkeit besteht in der geringen Zahl sachlich erfassbarer Kriterien. Das Funktionieren eines Unternehmens wird jedoch nicht nur bestimmt von dem Vorhandensein beschriebener Abläufe und Verantwortlichkeiten. Bestenfalls sind die verfügbaren Beschreibungen ein Hinweis darauf, wie sich die Firma um ihre Abläufe bemüht. Für die Frage, wie das Unternehmen tatsächlich funktioniert, fehlen einfache Messpunkte. Selbst das Abfragen der Mitarbeiter schafft keine Klarheit. Es geht ja nicht um das Aufsagen von theoretischem Verhalten, sondern um die tatsächliche Anwendung. Vor allem in diesen schwer zu ermittelnden Bereichen ist das gemeinsame Verständnis von Qualität die wichtigste Möglichkeit, um die angestrebte Klasse zu halten. Am Ende wird die Qualität in den Produkten und Leistungen sichtbar – und am Umsatz, d.h. der Zufriedenheit und Treue der Kunden.
  • Zertifizierung steht im Vordergrund
    Obwohl den Verantwortlichen die bisherigen Punkte bewusst sind, unterliegen sie trotzdem der Zertifizierung. Kunden und Behörden fordern in ihren Ausschreibungen die zertifizierte Güte der Leistungserbringung. Selbst die Endkunden trauen mehr den Siegeln als ihrer eigenen Urteilskraft. Ungeschickterweise führt die geringer werdende Sensibilität der Kunden auch dazu, dass in den Ecken, die der Beurteilung nicht unterliegen, kleine Einsparungen anfallen, die über einen langen Zeitraum zu großen Qualitätsverlusten führen. Nur mit einer eigenen Vorstellung, was gut und was schlecht ist, werden Produkte und Dienstleistungen mehr liefern, als das, was gemessen wird. Damit ist klar. Man kann sich den externen, besiegelten Bewertungen nicht entziehen – aber auch nicht der Notwendigkeit zuverlässige Leistungen zu erbringen, die darüber hinaus gehen.
  • Vorbereitung ist alles
    Damit die Bewertung ohne Schwierigkeiten abläuft, bereitet man sich mit entsprechender, externer Unterstützung vor. Hierfür werden vorab die formalen Auflagen erfüllt, vor allem bezüglich der erforderlichen Dokumente, Abläufe und sonstigen Installationen. Zusätzlich werden die Mitarbeiter auf die Bewertung durch Schulungen vorbereitet. Im Alltag bleibt wenig Zeit für die Weiterentwicklung des Unternehmens. Darum ist es geschickt, die anstehende Zertifizierung um die Besonderheiten der eigenen Firma zu erweitern. Die Vorbereitung ist, egal wie man zu den Gütesiegeln steht, eine sinnvolle Aktivität, da sie das Zusammenspiel der Beteiligten verbessert.
  • Alle gleich
    Zu Beginn eines neuen Ansatzes der Zertifizierung, bietet er Wettbewerbsvorteile, da man damit eine Art Alleinstellungsmerkmal (USP) erhält. Sobald sich der Standard durchgesetzt hat, geht dieser Vorteil verloren. Die sukzessive Standardisierung führt dazu, dass alle Unternehmen ähnlichen Kriterien folgen – und nicht mehr. Im Interesse eines hervorstechenden USPs ist es erforderlich, eigene Kriterien zu behalten oder zumindest zu entwickeln.

Fazit: Der klassische Handwerksmeister wird aufgrund der Qualität seiner Produkte beurteilt. Heute bestimmen externe Zertifizierer die Güte der Leistungen anhand von formalisierten Kriterienkatalogen. Im Interesse von Kunden und Shareholdern steht nicht mehr die Qualität im Vordergrund, sondern die Erfüllung der vorgeschriebenen Merkmale. Das blinde Vertrauen in solche Standards hat uns Fukushima, Dieselgate und den Berliner Flughafen gebracht. Und wir sehen bereits die Kollateralschäden der Dezibelschiebung und S21 auf uns zurollen. Zumindest leistet die Vorbereitung auf die Zertifizierung einen Beitrag zur Verbesserung der Qualität, indem sich das Unternehmen mit seiner Weiterentwicklung beschäftigt. Im Interesse zukünftiger Wettbewerbsvorteile ist es wichtig, dass man sich nicht auf die allgemein geforderten Kriterien beschränkt, sondern sich durch ein besonderes Qualitätsverständnis aus der Sackgasse externer Bewertungen begibt.