In den Neunzigern des letzten Jahrtausends überrollte das Business Process Reengineering, kurz BPR, große Unternehmen. Konzerne haben im Zuge von Lean Management zuerst innerbetriebliche und schließlich überbetriebliche Abläufe verschlankt. Diese Welle hat sich im englischsprachigen Umfeld nach einem Hype in der zweiten Hälfte der Neunziger abgeschwächt (siehe Ngram: http://ow.ly/yJq6p). Im deutschsprachigen Raum ist das Interesse am Geschäftsprozess kontinuierlich gestiegen (siehe Ngram: http://ow.ly/yJr5n ). Alle sprechen regelmäßig von Prozessen, Workflows und kontinuierlicher Verbesserung der Abläufe ohne die definierten Merkmale, die den Ablauf zu einem Prozess machen . Der Prozess – das unbekannte Wesen.
Die ablauforientierte Beschreibung von Funktionen bzw. Tätigkeiten, der sogenannte Prozess, besteht aus Einzelschritten. Diese wiederum sind Funktionen, die aus Teilschritten bestehen und so weiter, unabhängig von dem Format, das zur Darstellung verwendet wird *1. Die Dokumentation der Abläufe hilft bei der Planung, der Umsetzung, dem Monitoring und der Überarbeitung. Wenige machen sich klar, dass die Beschreibung des Ablaufs nicht die Wirklichkeit ist. Genau wie thematische Landkarten nur einen Blick auf geologische, politische oder wirtschaftliche Einzelheiten bieten, besteht der Prozess aus den wesentlichen Schritten. Zusätzlich hat ein Prozess die folgenden formalen Kriterien.
Ein Prozess …
- … braucht einen definierten Anfang und ein definiertes Ende. Je unschärfer der Start- oder Endpunkt, desto schlechter die Qualität der Beschreibung.
- … läuft OHNE Unterbrechung vom Anfang bis zum Ende. Sobald ein Ablauf unterbrochen wird, stoppt die Aktivität ungewollt auf unbestimmte Zeit. Es entstehen zwei Prozesse mit eigenem Anfang und Ende.
- … ist wiederholbar. Der Zweck der Prozessentwicklung ist es, dass ein Ablauf für alle Beteiligten zuverlässig, immer wieder gleich funktioniert. Einmalige Abläufe werden zur Laufzeit abgestimmt, da der Aufwand vorab in keinem Verhältnis zum Nutzen steht.
- … läuft über die Grenzen verschiedener Zuständigkeitsbereiche hinweg. Innerhalb einer Zuständigkeit bringt die Beschreibung wenig, da die Mitarbeiter selbstständig agieren.
- … hat definierte Regeln. Alle Beteiligten müssen stets wissen was, wie, von wem, mit welchen Ergebnissen, an wen geliefert werden, um den Zweck der Funktion erzielen zu können. Abweichungen gefährden die Ergebnisse.
- … verfügt über einen Entscheider. Da ein Prozess über unabhängige Zuständigkeiten hinweg abläuft, ist es erforderlich, dass die Entscheidung für den Ablauf in einer Hand gebündelt ist, damit die Prozessziele nicht von anderen Bereichszielen unterminiert werden.
Sobald Sie das nächste Mal einen Geschäftsprozess betrachten, suchen Sie nach den genannten Eigenschaften. Fehlt eine, besteht Optimierungsbedarf.
*1 Die Frage der angemessenen Detaillierungsebene wird bei anderer Gelegenheit besprochen.