Mit der Digitalisierung entstehen neue Fassaden, die ein Bild des dahinterliegenden Geschäfts vermitteln, das Erwartungen weckt, die nicht immer erfüllt werden. Heute hat man die Möglichkeit aus einer Vielzahl von vorbereiteten, scheinbar aufwendig gestalteten Layouts das eigene Schaufenster, die Webseite, so zu entwickeln, dass sie sich nicht mehr von reifen Unternehmen unterscheidet. Verstärkt wird das Ganze durch Referenzen von Kunden, die suggerieren, dass gute Beziehungen bestehen. Wie stark und häufig und anhaltend Leistungen erbracht werden, lässt sich aber nicht erkennen. Bei näherem Hinsehen werden die entsprechenden Logos möglicherweise sogar ohne Erlaubnis verwendet – allerdings, wo kein Kläger ist… Inwieweit der Wunsch der Unternehmen die Absicht der übertriebenen Selbstdarstellung ist, oder bloße Selbstüberschätzung, liegt im Auge des Betrachters. Die Stunde der Wahrheit kommt, wenn die Zusammenarbeit stattfindet und man ernüchtern feststellen muss, dass es nicht passt. Fehlt die vergleichbare, innere Wirklichkeit, dann haben wir einen typischen Fall von: Außen hui – innen pfui.
Wie kann man möglichen Partnern vorab in die Karten schauen? Einblicke liefern die Seiten ›Unser Unternehmen‹, ›Über uns‹, ›Unser Team‹, ›Unser Netzwerk‹, ›Produkte und Dienstleistungen‹, ›Impressum‹ oder ›Kontakt‹. In dem unwahrscheinlichen Fall, dass sich keine Hinweise im Netz finden, sollte man das Unternehmen mit Vorsicht genießen. Die folgenden Punkte enthüllen ein grobes Bild des Unternehmens.
- Der Plural
Einige Solo-Selbstständige, d.h. Anbieter, die offensichtlich keine Mitarbeiter haben, beschreiben sich häufig im Plural mit ›Wir‹ oder ›Unsere‹. Dieses Selbstbild sollte kritisch hinterfragt werden. Was wird mit der Mehrzahl bezweckt – Verschleierung der begrenzten Kapazität, Hinweis auf ein unsichtbares Netzwerk, oder einfach Hybris. - Die Gründungsmythos
Klein- und Mittelständler werden oft von Einzelnen aus dem Nichts aufgebaut. Die Geschichte der Gründung ist dann auch schnell der rote Faden der Webseite. Die Schwerpunkte der Erzählung bieten Rückschlüsse auf die Zusammenarbeit – Top-Down vs. Bottom-Up Entscheidungsfindung, überlieferte vs. neue Werte, Altes erhalten vs. Neues erzeugen. - Die Konzernfassade
Konzerne lassen ihre Webseiten von Agenturen erstellen und bieten wenige Hinweise über die Führenden und Mitarbeitenden. Hier bieten die sozialen Netzwerke einen Blick hinter den Vorhang. Auch wenn vor allem die Führenden sich zurückhaltend darstellen, können hier erste Eindrücke der Counterparts gefunden werden – Typ, Alter, Interessen, Hobbys usw. - Die Aufstellung
Sind Listen von Mitarbeitenden verfügbar, sollte genau hingeschaut werden, wie oft die einzelnen Mitarbeiter verschiedenen Bereichen zugeordnet werden. Diese Wiederholungen gaukeln der Öffentlichkeit eine größere Gesamtzahl an Mitarbeitern vor. Eine große Anzahl von Mitarbeitenden unterstellt gute Geschäfte. Zusätzlich wird dabei selten sichtbar wie lange die Personen mitarbeiten, oder ob sie sich noch in der Ausbildung befinden. Das Alter ist dabei ein guter Indikator für die Erfahrungen und die Betriebszugehörigkeit. - Das virtuelle Team
Ein einfacher Weg Größe und Fähigkeiten zu simulieren ist das Vorzeigen von Geschäftspartnern. Für die genannten Solo-Selbstständigen sind Geschäftspartner eine Hintertür sich an größeren Ausschreibungen zu beteiligen. Viele Einkäufer erleichtern sich ihr Leben, indem sie einfache Auswahlkriterien anwenden – Anzahl Mitarbeiter, Referenzen und Preis. Unternehmerische Singles fallen durch dieses Raster mit dem Argument, dass ihnen die Kapazitäten fehlen und sie nicht über die ausreichenden Fähigkeiten verfügen. Dabei sind die Aufträge heutzutage derartig einzigartig, dass das Ergebnis in jedem Fall durch Einzelne erbracht wird – egal, ob sie zu einer großen Firma gehören oder solistisch unterwegs sind. Dabei bieten die Solo-Selbstständigen immense Vorteile – geringen Overhead, Agilität, und daraus resultierend geringe Preise. - Die Kooperative
Partnerschaften bilden einen weiteren pragmatischen Ansatz, um den größeren Firmen Paroli zu bieten. Hierzu bündeln sich Wettbewerber zeitweise zu einer Art Kooperative, die gemeinschaftlich Aufträge erfüllt. Dies erfordert von den Partnern die Bereitschaft, gemeinsame Werte zu vertreten, ähnliche Schwerpunkte zu verfolgen und einvernehmliche Vorgehen zu praktizieren. Allerdings muss sichergestellt sein, dass der Auftrag an erster Stelle steht und nicht die Einzelinteressen der Partner. - Die Hubs
Unternehmensnetze, Plattformen oder Zertifizierer sind Gebilde, in denen Firmen sich für einen entsprechenden Preis Reputation bescheinigen lassen. Ein entsprechendes Zertifikat vermittelt der Öffentlichkeit, dass die entsprechenden Fähigkeiten, Werte und Geschäftspraktiken bestehen, was aus den Zertifizierten etwas Besonderes macht. Die Siegel, die man auf der Webseite anzeigt, sagen nicht wirklich etwas über die Praxis der Unternehmen aus, sondern nur, dass gegen eine jährliche Gebühr und die Dauer der Bezahlung die Leistungen bestätigt werden – inwieweit neutrale Prüfungen durch Dritte dies bestätigen würde ist Glaubenssache. Es ist nur der Versuch die Güte für weiche Faktoren (z.B. Führung, Motivation, Wertschätzung, Ordnungsmäßigkeit, usw.) messbar zu machen. - Die Leistungen
Die Angebote sind unabhängig von der Größe des Unternehmens beachtenswert. Gibt es Übersichten der angebotenen Leistungen mit einer Verlinkung auf umfassendere Beschreibungen? Werden die einzelnen Akteure der Leistungen erkennbar – oder stellen die Unternehmer sich selbst in den Mittelpunkt? Liefern die Leistungen Hinweise auf die erforderlichen Aufwände – Größenordnungen, Berechnungsschema, die Dauer? Werden die Leistungen durch zusätzliche Informationen verständlich – Whitepapers, Blogbeiträge, Verlinkungen zu entsprechenden Inhalten? Vor allem Dienstleistungen sind schwer einzuschätzen, da greifbare Messkriterien fehlen. Die Dauer und die Menge der erzeugten Inhalte widerspiegeln nicht ihre Wirksamkeit. Auf Basis dieser Beschreibungen können jedoch Rückfragen vorbereitet werden. - Die Anonymen
Wenn das Impressum oder der Kontakt keine Hinweise auf den Firmensitz liefert oder die angeschlossenen Standorte nicht sichtbar werden, dann erübrigen sich jegliche Anstrengungen der Kontaktaufnahme, da die Grundlage für zuverlässige Geschäfte fehlt.
Zusammenfassend empfiehlt sich der Blick in die Webseite eines Geschäftspartners. Auf diese Weise erhalten Sie einen ersten Eindruck des Unternehmens – vorab. Überzeugen die Leistungen, sollten Sie mit dem Unternehmen Kontakt aufnehmen. Je nach Unternehmensgröße sprechen Sie sofort mit Experten oder, bei kleineren Unternehmen, werden Sie zurückgerufen. Werden Sie bei dem Gespräch mit den üblichen Floskeln (z.B. ›Qualität steigern‹, ›Prozesse beschleunigen‹, ›Kosten senken‹, oder ›Wachstum anregen‹) bombardiert, dann sollten Sie aufpassen. Im Interesse eines gehaltvollen Gesprächs, sollten Sie die Ergebnisse am Ende zusammenfassen. Aus diesem Grund empfiehlt es sich Fragen vorzubereiten, die sicherstellen, dass die Anbieter über das sprechen, was Sie interessiert – und nicht ihren üblichen Salm.
Fazit: Nachdem nicht mehr der Glaspalast den ersten Eindruck einer Firma ausmacht, können auch kleinere Unternehmen und Solo-Selbstständige sich beeindruckend präsentieren. Die entsprechenden Formate und Inhalte werden kostengünstig erstellt und im Internet präsentiert. Unabhängig von der Größe des Unternehmens ist es ratsam, diese Veröffentlichungen näher zu betrachten. Auch wenn viele glauben, dass diese Inhalte nicht gelesen werden, erzeugen alle eine vielsagende Außendarstellung. Der Blick auf die Selbstdarstellung des Unternehmens und seine Leistungen ermöglicht es, das Unternehmen einzuschätzen. Eine zusätzliche Google-Suche, auch bezüglich der Ansprechpartner, rundet das Bild ab. In jedem Fall haben Sie einen ersten Eindruck Ihrer Gesprächspartner und des Unternehmens. Vertrauen Sie auf Ihr Bauchgefühl! Wenn Ihnen irgendetwas suspekt vorkommt, schauen Sie zweimal hin. Es besteht immer die Gefahr: Außen hui – innen pfui.