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Das Agile profitiert vom Systemischen Denken

Löst man sich von den früheren Stilen der Führung, die von einem starken, autoritären Vorgesetzten ausgegangen sind, der seine Mitarbeiter nicht an Entscheidungen beteiligt, unbedingten Gehorsam erwartet, im Fehlerfall sanktioniert und Entscheidungen als Anordnungen versteht, dann hat das einen großen Einfluss auf das Denken aller Beteiligten. Mit dem Agilen rücken jetzt Fähigkeiten auf den Schirm, die bereits seit Jahrzehnten die Chaos-, Komplexitäts-, Sozial- und Systemforschung beschrieben haben. Das systemische Denken bietet Ansätze, die im Rahmen der neuen Agilität einen Beitrag leisten.Betrachten wir die neuen Denkweisen, die Barry Richmond zum Jahrtausendwechsel kompakt beschrieben hat und die hier leicht abgewandelt wiedergegeben werden.

  • Dynamisches Denken
    Das analytische Denken wird deutlich durch einen Fokus auf die Einzelteile, fachliche Vielfalt, wertende Betrachtung, klare Messpunkte, strikte Gliederung und objektive Wissenschaft. Die neuen Paradigmen haben herausgearbeitet, dass durch diese Sicht wichtige Aspekte verloren gehen.
    Systemisches Denken basiert im Gegensatz dazu auf Ganzheitlichkeit, fachübergreifender Zusammenarbeit, den Beziehungen zwischen den Elementen, dem Mapping verschiedener Gesichtspunkte, schwer messbaren Eigenschaften, Abläufen und erkenntnistheoretischer Wissenschaft (mehr hier).
    Agilität zieht seine Vorteile aus der Betrachtung von ablauforientiertem Verhalten und den entsprechenden Meilensteinen sowie den regen Zusammenhängen und Abhängigkeiten.
  • System-als-Ursache Denken
    Ausgangspunkt für Aktivitäten waren in der Vergangenheit die Einflussfaktoren, die auf ein System eingewirkt haben (System-als-Effekt). Mit der Erkenntnis, dass das System die Ursache für sein Verhalten ist, hat sich die Aufmerksamkeit verschoben auf die Erstellung von Leitlinien und offene Zusammenarbeitsformen.
    Agilität nutzt einfache Regeln und fördert die Selbstorganisation der Beteiligten, um so auf die Volatilen, Unsicheren, Komplexen und Ambigen Umstände zu reagieren.
  • Wald-Denken
    Der aufgliedernde, immer feiner werdende Ansatz der Vergangenheit, der durch immer mehr Computerpower dazu geführt hat, dass man den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr gesehen hat, wird jetzt von einem holistischen Ansatz abgelöst, der sich dem Problem durch die Betrachtung des Ganzen, dem Wald, nähert. Dadurch kommt man über die Zusammenhänge, den Beziehungen und Abhängigkeiten, einer viablen Lösung näher.
    Die agile Denke fördert das, indem alle für das Ganze verantwortlich sind und entsprechend Entscheidungen treffen.
  • Operatives Denken
    Der Schwerpunkt im analytischen Denken liegt auf den Faktoren, die zu einem Verhalten führen. Dazu gehören die Erziehung, die Ausbildung oder die gemachten Erfahrungen. Sie rücken in den Mittelpunkt der Betrachtung, die ausgestaltet und vorhergesagt wird. Im Gegensatz dazu liegt der Schwerpunkt beim operativen Denken auf dem Verhalten – insbesondere auf das aktuelle, sichtbare Tun. Dadurch werden die Sachverhalte betrachtet, die man zu bearbeiten gedenkt. Gleichzeitig lassen sich Handlungsansätze ableiten, die zu einer sofortigen Änderung des Verhaltens führen.
    Agil ist man nicht theoretisch, sondern immer praktisch, indem Aufgaben im Mittelpunkt stehen, die viable Ergebnisse erzeugen.
  • Zirkuläres Denken
    Bewegt man sich in einer Einbahnstraße und einer Ursache folgt eine Wirkung, die eine Ursache mit einer Wirkung, … dann entspricht dies dem analytischen Denken. Gefördert wird das von der Tatsache, dass wir nur 7plusminus2 Sachverhalte gleichzeitig verarbeiten können. Tatsächlich bewegen wir uns immer in einem dynamischen Umfeld, was dazu führt, dass eine Ursache zu vielen Wirkungen führt, die wiederum viele Wirkungen erzeugen und unter Umständen zu einer Rückkoppelung auf die erste Ursache führt. Aufgrund unserer bescheidenen Vorstellungskraft vermeiden wir zirkuläres Denken, da es uns überlastet, und wir uns gezwungen sehen, in Vereinfachungen zu flüchten.
    Die Agilität nutzt kurze Regelkreise, z.B. Sprints, die maximal vier Wochen dauern, um alle möglichen Ergebnisse zu erzeugen.
  • Qualitatives Denken
    Die meisten von uns werden durch das Erbe des analytischen Denkens, dem Fokus auf Kennzahlen und Messgrößen, immer nach den nächsten Kenngrößen suchen, die uns bei Entscheidungen helfen. Dabei ist das Ergebnis einer Addition (z.B. 1+1=2) keine Entscheidung, sondern nur die logische Folge, dass man Mathematik nutzt. Entscheidungen erfordern Qualitäten, wenn man im Verhalten nach Mustern sucht, die entscheiden, ob man etwas so oder so macht.
    Agilität sucht auch stets nach den weichen Faktoren, die den Fortschritt bestimmen, und zieht intuitive Meinungen harten Fakten vor.
  • Neues wissenschaftliches Denken
    Der größte Stolperstein des analytischen Denkens ist es, dass das naheliegende Ziel stets die Bestätigung der eigenen Hypothese ist. Und das, obwohl Karl Popper schon sehr früh die Falsifizierung in die wissenschaftliche Arbeit eingeführt hat – den Ansatz, dass man stets bestrebt sein muss, die eigene These zu widerlegen. In der Folge geht es darum, dass man sein Argument immer so darstellen muss, damit jedermann ihre Falschheit aufgezeigt werden kann. Entsprechende Testfälle sind deshalb vorzubereiten.
    Agilität fördert diesen Ansatz durch crossfunktionale Teams, die nicht durch verteilte Zuordnung der Aufgaben, z.B. Entwickler und Tester, bestimmt sind, sondern durch die gemeinsame Verantwortung für alle Aspekte der Ergebnisse.

Fazit: Es ist die Haltung, die die agile Zukunft bestimmt. Dazu gehören die bekannten Fähigkeiten, die seit Jahren genutzt werden und sich bewährt haben. Diese verschiedenen Denkstile (s.o.) sind zwar entgegen unseren geistigen Stärken und den eingeübten Verhaltensmustern, aber sie folgen Gesetzen, die sich in der Natur bewährt haben. Sobald der anerzogene Knoten des analytischen Denkens in unserem Kopf durch bewusstes Streben in Richtung systemisches Denken entwirrt ist, können die obigen Denkstile leicht angewendet werden. Die gute Nachricht ist: Das Agile profitiert von dem Systemischen Denken.