Sobald das Unvorstellbare eintritt, verschieben sich die Grenzen. Wer hätte gedacht, dass die eingefahrenen Lieferwege zum Stillstand kommen, Millionen Beschäftigte in Kurzarbeit geschickt werden oder Durchschnittsbürger auf der Straße gegen die gewählte Regierung demonstrieren. Wir leben in der Gegenwart, erkennen die Vergangenheit schemenhaft und blicken voller Zuversicht in die Zukunft. Dabei übersehen wir, dass die Zukunft überhaupt nicht sichtbar ist, sondern aus verzerrten Vorannahmen besteht. Wir befinden uns in jedem Moment vor einer Disruption (D-Day) – wie der Meteor von Tscheljabinsk am 15. Februar 2013, die COVID-19-Pandemie seit Dezember 2019 oder der Ausbruch Eyjafjallajökull vom 20. März 2010. Wir beschäftigen uns nur selten mit möglichen weitreichenden Störungen, die schon lange nicht mehr oder sogar noch nie eingetreten sind. Dabei mussten wir lernen, dass sie jederzeit eintreten können. Die Folgen bedrohen Menschen lokal, regional oder sogar global.
Im Risikomanagement (RM) werden vorausschauend Notbehelfe angedacht. Eine Epidemie großen Ausmaßes und ihre Auswirkungen hatten bisher nur einen geringen Stellenwert, wenn wir die unterschiedlichen Maßnahmen und die Ansteckungen betrachten. Aus diesem Grund blicken wir auf mögliche Brüche, die unsere eingeführten Abläufe ausbremsen oder zum Stillstand bringen können.
- Pandemien
Obwohl Pandemien geschätzt alle 30 Jahre auftreten (Future Global Shocks, OECD), führen deren Unwägbarkeiten (Wo? Wann? Geschwindigkeit der Ausbreitung? Infektionsrate? Sterblichkeit?) sowie mögliche Auswirkungen auf andere Bereiche (Gesellschaft, Wirtschaft, Mobilität, Logistik usw.) dazu, dass das RM diese Gefahren bisher niedrig eingestuft hat. - Umweltkatastrophen
Der oben erwähnte Vulkanausbruch auf Island führte dazu, dass 100.000 Flüge annulliert wurden, 10 Millionen Menschen davon betroffen waren und sich 1,5 bis 2,5 Milliarden Euro Verluste im Luftverkehr anhäuften. Im Moment gibt es in der Nähe von schlafenden Vulkanen latent bedrohte Mega-Citys, wie Tokyo, Neapel, Mexico City. Wie die vielen möglichen Umweltkatastrophen von den Verantwortlichen, nicht nur Vor-Ort, bewertet werden, ist entscheidend dafür, ob Übergangslösungen im weiteren Umfeld vorbereitet werden. - Infrastrukturcrash
Die Infrastrukturen der entwickelten Staaten wie z.B. Norwegen, Australien, USA, Deutschland, Kanada sind über Jahrzehnte komplex vor sich hin gewuchert. Heute zeigen sich Verfallserscheinungen bei Kommunikation, Energie, und Verkehr. Zusätzlich werden sie von den Unfallfolgen (beispielsweise durch Atomkraft, giftige Rohstoffe und Chemikalien) und Umweltkatastrophen (Klimawandel, Naturkatastrophen und geomagnetische Stürme) gefährdet. Wie stellen die Risikomanager die globalen Lieferketten sicher? - Zivilisationskollaps
Die gesellschaftlichen Veränderungen in Asien, der arabischen Welt und selbst in den USA bedrohen den erreichten Wohlstand in der Welt. Wenn die Billiglohnländer durch Terror und Machtkämpfe ausfallen oder die abgehängten US-amerikanischen Gesellschaftsschichten das Capitol stürmen, sind das Zeichen, dass sich die etablierten engmaschigen Abhängigkeiten auflösen. Die Zuständigen sollten für solche Fälle Krisenpläne vorbereiten. - Ressourcenkrise
Es besteht immer noch ein eingeschränktes Bewusstsein bezüglich der natürlichen Ressourcen der Erde. Bereits vor über 4000 Jahren kämpften mesopotamische Stadtstaaten um den Zugang zu Wasser. Heute gräbt Israel den Anrainerstaaten das Wasser des Jordans ab. China staut den Mekong, wodurch Vietnam das Wasser ausgeht. Bei Berlin zapft Tesla das Grundwasser an, mit unbekannten Folgen für die Region. Obwohl die Verfügbarkeit der Ressourcen über längere Zeit sinkt, ist unklar, ob und wie diese Risiken zu bewerten sind. - Wirtschaftskrise
Durch die Globalisierung sind die weltweiten Wirtschaftssysteme eng miteinander verknüpft – die Finanzströme, der Warenverkehr, die weitreichenden Kooperationen und der unaufhaltsame Wissensfluss. Sobald Sand in dieses Getriebe gelangt, hat das sofortige Folgen für alle Regionen der Welt. Das geht so weit, dass die Beteiligten wirtschaftliche Kriege führen, um die potenziellen Wettbewerber auszuschalten. Diese wirtschaftlichen Krisen entstehen nicht plötzlich. Doch welche Maßnahmen werden vorsorglich ins Auge gefasst? - Kriege
In der Geschichte der Menschheit sollen 14.400 Kriege stattgefunden haben bei denen geschätzte 3,5 Milliarden Menschen gestorben sind. Vermutlich ist die Dunkelziffer wesentlich höher. Diese kriegerischen Spannungen wirken sich auf alle Risikobereiche aus – Kriege erzeugen Umweltkatastrophen, zerstören die Infrastruktur, lassen die Gesellschaft zusammenbrechen, verknappen Ressourcen und erschüttern die Wirtschaft. Materielle Folgen sind dabei unvermeidbar. Wie sind Kriege in die Risikopläne eingebaut?
Fazit: All diese Risiken erzeugen Störungen, die in einem D-Day (Tag der Disruption) gipfeln. Verhindern lassen sich diese Ereignisse nicht. Wir können darauf nur mit Maßnahmen reagieren, die bereits vorbereitet in der Schublade liegen und die Auswirkungen abmildern sollen. Wenn beispielsweise ein Logistikunternehmen seine IT außerhalb eines gefährdeten Gebiets betreibt – fern von Erdbeben und Vulkanen und Krisenherden. Um intelligente Lösungen verfügbar zu haben, muss im Vorhinein die Gefahr gesehen werden, um erforderliche Notpläne überhaupt bereitzustellen. Auch wenn Sie nicht wissen, was die anschließenden Auswirkungen sein werden, seien Sie vorbereitet auf Ihren D-Day!