Schlagwort-Archive: Werte

Die Belegschaft intern pfeifen lassen

In den ersten Jahrzehnten des Internets hat sich für uns vor allem die Form von Öffentlichkeit und Teilhabe verändert. Politik, Wirtschaft und unsere Freizeit sehen heute völlig anders aus. Obwohl Unternehmen die Möglichkeiten der Informationstechnologie in allen Bereichen ausschöpfen, fehlen angemessene Lösungen für eine interne Kultur der Selbstkritik. Althergebrachte Hierarchien sind dabei genauso herausgefordert wie zentralistische Nationalstaaten. Der Dienstweg reicht nicht mehr aus, um Ordnungsmäßigkeit sicherzustellen. Informationen folgen eigenen Regeln und finden ihren Weg in die Öffentlichkeit. Konzerne können es sich nicht mehr leisten, dass Geschäftspraktiken am Rande oder sogar jenseits der Legalität durchgeführt und schließlich bekannt werden. Wie hoch die Kosten eines Lecks sein können, werden wir wissen, sobald die Kosten der aktuellen Krise bei VW feststehen. In jedem Fall wird es sich um Milliarden Euros handeln. Anstelle die Whistleblower in die Arme der breiten Öffentlichkeit zu treiben, wäre es besser, interne Kanäle zu öffnen, die es der Belegschaft erlauben, ihrem Bedürfnis nachgeben zu können und intern zu pfeifen.

Whistleblower02 bw

Der Vorstand und die Führungskräfte müssen verstehen, dass die frühzeitige Aufdeckung von illegalen Aktivitäten die Viabilität des Unternehmens sichert. Es handelt sich beim Enthüllen oder dem Veröffentlichen von Skandalen durch sogenannte Whistleblower nicht um Verrat, Illoyalität oder Untreue, sondern um einen Mechanismus der Selbsterhaltung. Niemand steht über oder außerhalb des Gesetzes. Ungeschickterweise empfinden Vorgesetzte das anders. Whistleblower werden als Nestbeschmutzer angesehen. Die Anstrengungen des Unternehmens beschränken sich auf den öffentlichkeitswirksamen Aufbau einer internen Revision. Deren Aufgabe ist es Schwachstellen zu suchen und Verbesserungen vorzuschlagen. Warum nicht ein System für interne Whistleblower etablieren, das es jedem Mitarbeiter ermöglicht seine Beobachtungen anonym mitzuteilen, ohne persönliche Konsequenzen fürchten zu müssen? Zu diesem Zweck könnte es helfen, die folgenden Aspekte zu berücksichtigen.

  • Fokus aufs Ganze
    Intern sollte ein Verständnis für das Gesamtunternehmen bestehen, das Bereichsegoismen und persönliche Agenden, die Nachteile für das Unternehmen nach sich ziehen, als schlecht kennzeichnen.
  • Subsidiaritätsprinzip schafft Entscheidungsraum
    Voneinander abgegrenzte Zuständigkeiten verteilen die Verantwortung in der Organisation. Am Ende ist der Vorstand nicht mehr automatisch für Fehlverhalten auf einer unteren Stufe haftbar zu machen, sondern die dafür Verantwortlichen. Dies gilt vor allem für das Anzeigen von schwerwiegenden Verstößen.
  • Unternehmenswerte veröffentlichen
    Für alle Mitarbeiter und Führungskräfte gelten Gesetze, wie für jeden anderen Bürger. Die Veröffentlichung der Verpflichtung zur Einhaltung der Gesetze in den Unternehmenswerten ist wichtig, um den Mitarbeitern das Gefühl zu nehmen, dass sie sich in einem rechtsfreien Raum befinden.
  • Fehlerkultur
    Informationen, die über eine interne Meldestelle bekannt werden, sollten nicht automatisch Grundlage für Sanktionen sein, sondern Ausgangspunkt zur Behebung von Missständen.
  • Null-Toleranz
    Ungesetzliches Verhalten sollte intern so behandelt werden wie im Rest der Gesellschaft. Nicht jeder Fall führt zu einem juristischen Verfahren. Schiedsstellen ermöglichen das Lernen aus Fehlern und erleichtern eine Anpassung, ohne das Fehlverhalten übertrieben sanktionieren zu müssen. In manchen Fällen ist es jedoch unumgänglich die entsprechenden Personen anzuzeigen, da man sich sonst der Mitwisserschaft schuldig machen würde.
  • Unrechtsbewusstsein
    Eine neue Aufgabe für die Rechts- oder der neu geschaffenen Compliance-Abteilungen wird es sein, den Mitarbeitern das notwendige Rechtsverständnis beizubringen. Erst mit diesem Unrechtsbewusstsein und in Verbindung mit dem internen Vorgehen für Whistleblower kann das Unternehmen darauf hoffen, dass kein Fehlverhalten stattfindet.
  • Internes Pfeifen
    Schwierigkeiten passieren häufig an einzelnen Arbeitsplätzen. Mitarbeiter können zum Vorteil des Unternehmens und damit zum eigenen Wohl Korrekturen von Fehlentwicklungen anstoßen. In einzelnen Fällen werden die Schwierigkeiten jedoch erst aus einer Gesamtschau sichtbar. Dann müssen sich auch Führungskräfte beteiligen.

Die Vorstellung, dass große Organisationen rechtsfreie Räume sind, ist spätestens seit der Einführung von Compliance-Bereichen vorbei. Ob ein Unternehmen rechtsbewusster wird, indem es ehemalige FBI-Beamte zur Kontrolle einstellt, mag der Beruhigung der Beziehungen zu den US-Behörden geschuldet sein. Compliance beginnt jedoch im Kopf eines jeden Mitarbeiters. Um Gewissenskonflikte der Mitarbeiter zu verhindern, wäre es sicher geschickter sie intern pfeifen zu lassen.

Fazit: Niemand steht über dem Gesetz. Und Gesetze, die befolgt werden müssen, finden sich in allen Bereichen des Unternehmens. Ein internes System zur Meldung von illegalen Praktiken ist besser, als die Mitarbeiter in die Öffentlichkeit zu treiben. Der Schaden ist dann viel größer. Aus diesem Grund sollten Unternehmen ihre Belegschaft intern pfeifen lassen.

Geteilte Führung teilt Wissen

Die richtige Entscheidung zur richtigen Zeit benötigt das richtige Verständnis der Situation. Vorgesetzte haben ihren Machtanspruch lange durch die Maxime „Wissen ist Macht“ gesichert. Nachdem in den vergangenen zwanzig Jahren die Abläufe, die IT und die Organisation wirksam verschlankt wurden, können weitere Fortschritte nur noch von jedem Einzelnen realisiert werden. Zu diesem Zweck erhalten die Mitarbeiter in ihrer Rolle definierte Aufgaben, mit der nötigen Kompetenz, aber auch mit der Verantwortung für die Ergebnisse. Die Voraussetzung für diese Form der geteilten Führung ist Offenheit, in der das vorhandene Wissen geteilt wird.

Wissen

Um den Mitarbeitern die Entscheidung zu erleichtern und im Interesse der gemeinsamen Ziele muss der Zugang zu den folgenden Informationen sichergestellt werden.

  • Der Kontext des Unternehmens benötigt die Übersicht der Standorte (inkl. Ansprechpartner und lokalen Informationen aller Art), der Beschreibung des Marktes (inkl. verständliche Marktindikatoren und Nachrichten) sowie der wesentlichen internen und externen Stakeholder (z.B. Zulieferer, Partner, Kunden).
  • Die Produkte- und Dienstleistungen, Kompetenzen und Prozesse, die das Geschäft im Wesentlichen ausmachen, bilden zusammen den strategischen Kern. Damit können die Mitarbeiter ihre Aktivitäten leichter an den wertschöpfenden Funktionen ausrichten.
  • Die strategischen und operativen Ziele sowie die Kennzahlen (inkl. historische Umsatz- und Verkaufsdaten, Erfolge und Schwierigkeiten, HR-Bewertungskriterien) sind die Grundlage für eine abgestimmte, erfolgreiche Zielerreichung.
  • Die Beschreibung der Werte, Regeln und Eskalationswege prägen die Kultur des Unternehmens.
  • Der barrierefreie Zugang zu allen sonstigen Datenbanken (z.B. Projekten, Produkten, Prozeduren) vermeidet störende Verzögerungen und reduziert unnötige Reibungsverluste.

Fazit: Unternehmen können es sich nicht mehr leisten Einzelnen einen Wissensvorsprung zuzugestehen. Alle müssen jederzeit in der Lage sein so zu entscheiden, dass es für das Gesamtunternehmen von Vorteil ist. Eine der wichtigsten Voraussetzungen dafür ist der gleichberechtigte Zugang zu ALLEN Informationen. Einzige Ausnahme bilden Informationen, die als geheim eingestuft werden.